Westernacher Solutions GmbH

Liebe Bundesrechtsanwaltskammer,

wer ist nur auf den Gedanken gekommen, als neuen Betreiber des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs Westernacher Solutions GmbH auszusuchen?

Die Imkompentenz bleibt die gleiche wie beim Vorgänger, der Weltfirma ATOS. Nur die Frechheit, mit der das eigene Versagen geleugnet (und dem Vorgänger in die Schuhe geschoben wird) ist bedeutend weiterentwickelt worden.

Aktuelles Beispiel vom 22.04.2021: der Zugang zum beA mit der installierten Software wird einfach abgeschaltet. Es wird zum Herunterladen der neuen Software aufgefordert (bzw. gezwungen). Ist das erfolgt, wird mitgeteilt, nun müsse weitere Software (csUpdater_prod_3_6_0_1_windows-x32.exe) zwingend nachgeladen werden. Das funktioniert aber nicht. „Der Download wurde unterbrochen. Möchten Sie es nochmals versuchen?“ Ich möchte nicht, ich muß.

Ungezählte Male später (nach einer hohen zweistelligen Zahl von weiteren Abbrüchen) ein Anruf beim Servicedesk. Dort wird man mit der automatisierten Mitteilung begrüßt, seit 6 Uhr heute früh gebe es teilweise Schwierigkeiten beim download des updates wegen eingeschränkter Bandbreite des servers – auf deutsch: der server von Westernacher Solutions ist mit der Menge der – selbst erzwungenen – Anfragen nach download der software überlastet. Der smarte Abwimmler am Servicedesk erklärt fröhlich, bei ihm selbst habe der download beim zehnten Mal funktioniert. Es gebe auch viele Nutzer, bei denen der download einwandfrei funktioniert habe (woher weiß er das?), nur bei einigen Nutzern gebe es leider …

Ich gehe davon aus, daß es dem Betreiber völlig egal ist, wie lächerlich er sich damit macht. Und selbstverständlich gibt es keinen anderen Weg, die software herunterzuladen.

Jetzt ist es 14:00 Uhr. Seit heute morgen um 06:00 Uhr arbeitet der geballte Sachverstand von Westernacher Solutions GmbH sich an einem selbst geschaffenen Problem ab und findet die Lösung nicht.

Ach ja: als Störung des beA gilt das offenbar nicht, wenngleich es offenbar eine ganze Reihe von Nutzern gibt, die wie ich durch das Vorenthalten des Zugangs daran gehindert werden, das beA überhaupt zu erreichen. In der „Störungsdokumentation“ wird so getan, als habe es seit dem 17.03.2021 keine Störung mehr gegeben.

Stört es bei der Bundesrechtsanwaltskammer niemand, daß durch die Auswahl eines solchen Betreibers und das Gewährenlassen der Nachweis der eigenen digitalen Inkompetenz so gut wie erbracht ist?

Deshalb wenigstens hier die Empfehlung, eiligst die Flucht zu ergreifen, wenn irgendwo Westernacher Solutions draufsteht oder drin ist.

Sind wir noch zu retten?

Folgendes geschieht im Land der Willkommenskultur 2020 und 2021.
Die Ausländerbehörde Stendal will eine tschetschenische Familie mit einer an chronischen Depressionen leidenden Mutter und fünf Kindern nach Polen abschieben.

Der Abschiebebescheid wird an eine alte Adresse in Bernburg zugestellt, als die Familie auf Weisung der Ausländerbehörde gerade nach Stendal gezogen ist. Die Klage dagegen kommt zu spät, weil der Verwaltungsrichter feststellt, die Ausländer, die „eigenmächtig“ in die Bundesrepublik eingereist seien, hätten von sich aus dem Bundesamt ihre neue Adresse mitteilen müssen. Daß sie das zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses noch gar nicht konnten, spielt keine Rolle. Der Verwaltungsrichter weiß: seine Entscheidung ist unanfechtbar. Er tut, was er kann, um der Flut von eigenmächtig einreisenden Ausländern Herr zu werden, ohne Rücksicht auf jede intellektuelle Redlichkeit – von Anstand ganz zu schweigen.
Die erste Abschiebung scheitert, weil die Mutter in stationärer Behandlung in der Psychiatrie ist. Zwar kommt die Sachbearbeiterin bei der Ausländerbehörde auf den cleveren Gedanken, man könne ja den Vater mit den Kinder erst einmal allein abschieben. Aber das scheitert daran, daß Polen die Familie nicht trennen will und keine Teilfamilien ins Land läßt. Aber es scheitert eben auch NUR daran. Daß die Behörde – und damit auch die betreffende Sachbearbeiterin – gemäß Art. 6 GG verpflichtet ist, die Familie zu schützen, spielt in unserem Deutschland keine Rolle mehr. Weit sind wir gekommen, Herr Seehofer? Der AfD muß der Gedanke doch schon einmal gefallen.

Die zweite Abschiebung scheitert an der Grenze. Ein dafür honorarmäßig belohnter Arzt meint, daß er seiner ärztlichen Pflichten, zu heilen und zu helfen, am besten genügt, indem er den Betroffenen einen Corona-Test abnimmt – von einer ärztlichen Aufklärung findet sich nichts in der Akte – und sie dann zur Grenze begleitet. Er bescheinigt allen Beteiligten Gesundheit. Offenbar hat er kein Fieberthermometer zur Hand. Die polnischen Grenzbehörden in Frankfurt/Oder aber schon. Zwei Kinder haben Temperatur. Also geht´s wieder zurück nach Stendal. Was hat der Spaß gekostet: 900 € für die Busfahrt. Plus die Kosten für eine ganze Menge Bundespolizisten und den Arzt.

Kleine Randbemerkung: bei der Einholung von Angeboten von Busunternehmen wird gebeten, die Anfrage „diskret“ zu behandeln. Ich wünschte, das deutete auf einen Rest an Schamgefühl hin. Aber wahrscheinlich ist das nur die Art von Heimlichtuerei, die immer dann zum Einsatz kommt, wenn jemand etwas tut, was definitiv eine Sauerei ist, über die man besser nicht redet. Macht die Sache einfacher.

Merkt von den Beteiligten eigentlich noch jemand, in welchen rechtlich und moralisch abseitigen Winkeln sie sich herumdrücken? Oder müssen die gedanklichen Deformitäten, die bei solchen Aktionen zutage treten, erst bei den dafür Verantwortlichen selbst – und nicht nur bei den Betroffenen – zu psychischen Problemen (früher schlechtes Gewissen genannt) führen, damit der Gedanke an einen Wandel überhaupt denkbar wird? Bis Horst Seehofer in der Psychiatrie landet, können wir lange warten. Eine Änderung wird sich nur einstellen, wenn alle, die meinen, daß sie damit eigentlich nichts zu tun haben, zu dem Ergebnis kommen, daß sie damit eigentlich doch etwas zu tun haben, und der Gedanke, daß das alles für uns alle sehr peinlich ist, denkbar wird. Denn im Moment ist das nicht peinlich, sondern egal. Fragen Sie nur Ihre Nachbarn. Fragen Sie sich selbst.

Willkommen in der Steinzeit

(Willkommen im Landkreis Stendal)

Ich hatte schon einmal berichtet, daß der Landkreis sein elektronisches Behördenpostfach abschalten mußte, weil die Abteilungsleiterin in der Wendstraße – so erzählten ihre Mitarbeiter – nicht in der Lage war, die Eingänge auf die jeweiligen Sachbearbeiter zu verteilen. Das war wohl zuviel für die Teilzeitkraft.

Es ging dann weiter mit einer Mitteilung des Landrats, es handle sich um ein IT-Problem und das würde dann wohl von der IT-Abteilung gelöst. Das ist wahrscheinlich der Unsinn, den man so schwafelt, wenn man meint, von der Unfähigkeit der eigenen Mitarbeiter irgendwie ablenken zu müssen und gar nicht merkt, daß man selbst den Überblick verloren hat (seit dem 17.11.2020 als Jogi Löw Effekt bekannt).

Das ist jetzt vor allem Monate her. Das elektronisches Behördenpostfach, das an sich vorhanden sein müßte, denn es war ja schon mal da, sucht man immer noch vergebens.

Das wird auch noch dauern, weil der Landkreis zuletzt auf facebook einen Amtsleiter für sein Digitalisierungsamt suchte. Die IT-Abteilung, die das alles richten sollte, gibt es wahrscheinlich gar nicht. Der neue Mann hat, wenn er denn kommt, gleich eine schöne Aufgabe: den Landkreis aus der digitalen Steinzeit, in die man sich selbst zurückgeschickt hat, wieder heraus zu führen.

Inkompetenz

(Ausländerbehörde Stendal II)

Eine serbische Familie ist seit Jahren getrennt, weil die Ausländerbehörde Stendal in schöner Zusammenarbeit mit der deutschen Botschaft in Belgrad dem Ehemann keinen Aufenthalt geben will. Wer da eigentlich bremst, erfährt man nicht, weil das Verfahren so ausgestaltet ist, daß keine der beiden Behörden Auskunft geben muß.
Der Ehemann kann immer nur drei Monate bei seiner Familie sein. Dann muß er wieder zurück nach Serbien. Unter dem Eindruck der Corona-Pandemie, die das Reisen bekanntlich sehr riskant macht, habe ich für ihn am 02.09.2020 beantragt, seinen Aufenthalt um zwei Monate zu verlängern.
Über diesen Antrag grübelten die Sachbearbeiter der Ausländerbehörde 25 Arbeitstage (oder ließen sie ihn einfach liegen?). Dann raffte sich einer auf und schrieb zurück, ob der Antragsteller noch in Deutschland sei. Von einer Bescheidung des Antrags war eine Rede.
Diese Bearbeitung spottet jeder Beschreibung. Sie legt ein beredtes Zeugnis von der Inkompetenz und Gleichgültigkeit selbst in Fragen, die Menschen existenziell betreffen, wie Familie und Gesundheit , ab. Da sie kein Einzelfall ist, sondern die Ausländerbehörde in einer Vielzahl von Fällen den Eindruck von Trägheit, Dummheit und Unwillen macht, kann man wahrscheinlich von dieser Ausländerbehörde überhaupt keine sachgerechte Bearbeitung erwarten. Eine Behörde, die diesen Zustand erreicht hat, kann man organisatorisch wie personell schon als ziemlich verkommen bezeichnen. Sie ist Teil des Problems und wird zu einer Lösung nicht beitragen können.
Was sie tut, entfaltet Rechtswirkungen nur noch aus zwei Gründen.

  1. Verwaltungsgerichte halten stets daran fest, daß dem Handeln einer Behörde zunächst einmal die Vermutung rechtmäßigen Handelns zukommt. Diese – im Falle totalitärer Anwandlungen eines Staatswesens (siehe Polen, Ungarn) höchst problematische – Grundannahme schützt eine marode Verwaltung vor jeder Reformanwandlung (auch gerade bei der Polizei bundesweit zu beobachten).
  2. Der Rechtsweg dauert mehr als ein Jahr. Das kommt einer Rechtsverweigerung gleich. Gegen Eilverfahren, bei denen eine vorläufige Regelung schneller zu erreichen wäre (Konjunktiv!), schützt Nr. 1 (siehe oben).

Die Digitalisierung schreitet voran. Läßt sich der Fortschritt noch aufhalten?

Behörden sollen zunehmend im Netz präsent sein. Schriftverkehr soll elektronisch und nicht mehr durch Übersendung von Papier erfolgen. Dafür gibt es ein elektronisches Kommunikationssystem – das EGVP. Teilweise – etwa gegenüber Verwaltungsgerichten – sollen Behörden nur noch digital kommunizieren und überhaupt keine Papierakten mehr versenden.
Der Landkreis Stendal hat für diese elektronische Kommunikation ein EGVP-Postfach – ausdrücklich auch für seine Ausländerbehörde.
Wie geht nun Digitalisierung in der Altmark?
Wenn man über das EGVP einen Antrag an die Ausländerbehörde richtet, erhält man erst einmal die Mitteilung, aus technischen Gründen könne der Posteingang nicht an die Ausländerbehörde weitergeleitet werden.
Was mögen das für technische Gründe sein?
Ganz einfach. Nach telefonischer Auskunft der Sachbearbeiter hat nur die Abteilungsleiterin Zugang zum EGVP. Und die leitet die Posteingänge einfach nicht weiter. Könnte das damit zusammenhängen, daß es sich um eine Teilzeitkraft handelt?
Eine Mitteilung dieses Sachverhalts an den Landrat Patrick Puhlmann hatte dann durchschlagende Wirkung – wenn auch anders als erwartet.

Das elektronische Postfach wurde abgeschaltet.
So geht Digitalisierung in der Altmark.

Nachtrag: Der Landrat hat sich gemeldet. Herr Puhlmann schreibt:

„Durch technische Umstellungen in der Ausländerbehörde ist der Zugriff auf das elektronische Behördenpostfach durch die Ausländerbehörde zur Zeit nicht möglich.
Die Sachgebietsleiterin hat Ihnen das per Email am 15.09.2020 mitgeteilt und darum gebeten für die Zustellung des Schriftgutes den Postweg oder das Telefax zu nutzen.
Die Einrichtung und die Funktionsfähigkeit der elektronischen Behördenpostfächer für die einzelnen Fachbereiche der Kreisverwaltung ist ein technischer Sachverhalt, der in die Kompetenz des IT- Bereiches fällt.
Das Problem ist mit dem IT- Bereich besprochen und es wird daran gearbeitet, die Funktionsfähigkeit für die Ausländerbehörde wieder herzustellen.“

Was mögen das für „technische Umstellungen“ sein, die den vorher monatelang einwandfrei funktionierenden Zugang ausgerechnet in dem Moment versperren, in dem sich ein Antragsteller auf das Zugangsrecht beruft?

Nach meinem Eindruck hat da jemand schlicht den Stecker gezogen. Und das soll nun durch einfallsloses Gequatsche verschleiert werden? Herzlichen Glückwunsch, Herr Puhlmann, zu solchen Sachgebietsleitern, zu einer solchen IT-Abteilung und vor allem zu Ihrer eigenen Dienstaufsicht.

Statistik als Satire

2019 fiel das beA durchschnittlich alle 9 Tage aus.

2020 fiel das beA durchschnittlich alle 8 Tage aus.

23 X fiel das beA an zwei oder mehr Tagen hintereinander aus.

In den Monaten Februar und März 2020 schafften die Betreiber es nicht einmal, das beA auch nur ein einziges Mal für einen Zeitraum von 14 Tagen ununterbrochen in Betrieb zu halten.

Seit es das beA gibt wurde keine einzige meiner Fehlermeldungen oder Serviceanfragen je in der Sache beantwortet. Ich erhielt regelmäßig dieselben drei emails – teilweise im Abstand von weniger als einer Stunde: 1. bitte schicken Sie weitere Daten, 2. bitte sehen Sie in der Dokumentation nach und 3. damit ist der Fall gelöst. Email 1. war unabhängig davon, ob der Anfrage bereits alle Daten beigefügt waren oder nicht. Email 2. war unabhängig davon, ob es um eine Fehlermeldung oder um eine Serviceanfrage ging und natürlich wurde weder mitgeteilt, wo in der Dokumentation man nachsehen sollte noch habe ich die passende Erklärung je selbst gefunden. Email 3. ist bei dieser Art Problembearbeitung eine Selbstverständlichkeit und offensichtlich hat man Anwälte, die ja die einzigen Nutzer dieses Systems sind, zu Recht für ahnungslos genug, höflich genug und dumm genug gehalten, diese Art der Bearbeitung nie ernsthaft in Frage zu stellen.

Das hätte alles immer schön so weiter gehen können.

Was mag der Grund dafür sein, daß sich die Bundesrechtsanwaltskammer für die Zeit ab 15.06.2020 einen neuen Betreiber für das beA gesucht hat?

Und was erwartet den Benutzer jetzt?

So geht effektiver Rechtsschutz beim Verwaltungsgericht Magdeburg

Die 2. Kammer des Verwaltungsgerichts Magdeburg sah sich von einem ausländischen Rechtssuchenden belästigt, dessen elektronischer Aufenthaltstitel abgelaufen war. Seine Niederlassungserlaubnis bestand fort, er konnte aber ohne den elektronischen Aufenthaltstitel diesen Fortbestand gegenüber anderen Behörden – konkret dem Jobcenter – nicht nachweisen. Die Ausländerbehörde weigerte sich, einen neuen elektronischen Aufenthaltstitel auszustellen, solange der Betroffene keinen neuen Pass vorlegen konnte. Dazu hätte er die Botschaft aufsuchen müssen. Die war – man ahnt es schon – wegen Corona geschlossen.

Eine Bescheinigung der Ausländerbehörde über das Fortbestehen des Aufenthaltstitels hätte geholfen. Aber auch die wollte die Ausländerbehörde nicht ausstellen.

Daraufhin stellte das Jobcenter die Leistungen ein. Auf die war der Betroffene ganz besonders angewiesen, weil sein Frieseurladen – man ahnt es schon – wegen Corona geschlossen war.

Nun stellte der Betroffene den Antrag beim Verwaltungsgericht, die Ausländerbehörde zu verpflichten, ihm zu bescheinigen, daß seine Niederlassungserlaubnis fortbestand.

An dieser Stelle ein kurzer literarischer Rückblick an den Anfang des 20. Jahrhunderts: ein später als Hauptmann von Köpenick bekannt gewordener Schneider wollte in Berlin Arbeit und Wohnung finden. Anmelden wollte ihn die Behörde nur, wenn er einen Arbeitsplatz nachwies. Arbeit fand er nur, wenn er zuvor einen festen Wohnsitz nachwies.

Vom Schneider zurück zum Friseur: die 2. Kammer des Verwaltungsgerichts Magdeburg dachte – im Eilverfahren – vom 11.04.2020 bis zum 02.06.2020 über dessen Ansinnen nach. Und kam schließlich auf folgendes: mittlerweile könne er ja wieder als Friseur arbeiten. Es sei ja gar nicht glaubhaft gemacht, daß er jetzt noch auf Leistungen des Jobcenters angewiesen sei. Die Bescheinigung könne er aber – im Eilverfahren – nur beanspruchen, wenn andernfalls ein nicht wieder gutzumachender Nachteil entstehe. Das konnten die drei Richter partout nicht erkennen. Er könne seinen Anspruch ja im Hauptsacheverfahren (Verfahrensdauer schätzungsweise etwas über ein Jahr) verfolgen.

So geht Rechtsschutz.

Liebe in Zeiten der Corona

ist das, was sie immer war. Sie hört nicht einfach auf, obwohl Jens Spahn sagt, man solle sich vorher und hinterher die Hände waschen.

Seltsame Blüten kann man aber derzeit im Umgang deutscher Behörden mit den nun einmal herrschenden besonderen Verhältnissen beobachten.

Konkreter Fall: die ukrainische Ehefrau eines Deutschen kommt Monate vor Corona nach Deutschland zu Besuch zu ihrem Ehemann und entschließt sich, hier bei ihm zu bleiben. Sie läßt ihre Rückfahrkarte verfallen und beantragt eine Aufenthaltserlaubnis. Alle Voraussetzungen für ein Bleiberecht liegen vor.

Nur der Landkreis Stendal – noch nie durch besondere Augenmaß bei der Anwendung ausländerrechtlicher Vorschriften zur Verhinderung jeglichen Ausländerzuzugs aufgefallen – kommt zu dem Ergebnis, daß die Antragstellung im Heimatland ein ganz besonders wichtiges, nein: das „wichtigste Instrument der Steuerung der Zuwanderung“. Will sagen: Raus aus Deutschland und ab in die Ukraine, allwo die Ehefrau dann den Antrag auf Familienzusammenführung stellen kann.

Termine vergibt die Botschaft in Kiew seit Monaten keine – doch, sagt das Rechtsamt des Landkreises: in acht Wochen wäre es soweit, wenn man es schaffte, sich den nur online angebotenen Termin zu schnappen.

Bearbeitungsdauer nach erfolgter Antragstellung: üblicherweise drei Monate.

Da hätte der Landkreis dann die Zuwanderung schon mal um fünf bis sechs Monate gesteuert. Wer braucht einen Flügel, wenn man über solche Pianisten verfügt, die die Klaviatur des Ausländerrechts aus dem ff beherrschen?

Aber zur Hochform läuft der Leiter des Rechtsamts erst jetzt auf. Zwar hat die Botschaft – die Zeit erzwingt es – den Betrieb jetzt ganz eingestellt und vergibt nicht nur auf absehbare Zeit keine neuen Termine mehr. Sie bedient auch die bereits vereinbarten Termine nicht mehr. Aber die Ausländerin ist ja immer noch im Land. Da dekretiert der Rechtsamtsleiter, es werde mit der Abschiebung auch auf keine Entscheidung des Verwaltungsgerichts gewartet. So sicher ist er sich seines Urteils, daß er sofortige Maßnahmen ankündigt.

Und da sind wir an einem Punkt, an dem sich die Verwaltung – jedenfalls die des Landkreises Stendal – endgültig über die Niederungen der Realität erhoben hat und in einem vielleicht nicht rechts- aber jedenfalls in einem sinnfreien Raum schwebt: gegen Ihre Entschlossenheit, Herr Br., kann ja der Umstand, daß die Ukraine, Polen und Tschechien ihre Grenzen geschlossen haben, und die Betroffene gar nicht ausreisen könnte, selbst wenn sie wollte, gar nichts ausrichten.

Von Rechtsanwendung möchte ich gar nicht sprechen. Denn Rechtsnormen zitieren heißt ja nicht sie verstehen. Insofern ist der Vorgang vielleicht einfach nur banal und dumm. Andererseits: so vollständig über den Dingen zu schweben, daß die Schicksale der Betroffenen nicht mehr zu erkennen sind, hat schon etwas Erschreckendes.

Schachmatt in fünf Zügen (beA III)

Was sind das eigentlich für Würstchen, die seit Jahren versuchen,

  1. der Anwaltschaft einzureden, es gebe da ein besonderes elektronisches Anwaltspostfach,
  2. den betroffenen Anwälten – und zwar allen! – jährlich eine Gebühr abknöpfen
  3. ein System anbieten, das nach einem Jahr Probebetrieb völlig abgeschaltet werden muß,
  4. acht Monate daran herumwerkeln, bis sie die Frühgeburt erneut auf den Weg bringen,
  5. und dann seit dem 31.01.2019 nur noch mitteilen können: „Technische Stoerung in beA – weitere Informationen unter beA.brak.de“

?

Ruft man beA.brak.de auf, kommt „Wieder Störungen im beA / 7. Februar 2019 / Nachdem Atos gestern mitgeteilt hatte, dass die Störungen im beA-System behoben seien, treten leider erneut Probleme bei der Adressatensuche und damit beim Versand auf. Die Ursache dieser Störung ist noch nicht ermittelt. Atos arbeitet mit Hochdruck an einer schnellstmöglichen Beseitigung und Ermittlung der Ursache. Wir werden auf https://bea.brak.de informieren, sobald die Störung behoben ist.“
Dann folgt eine freche Lüge: „Der Zugang zum Postfach und der Zugriff auf empfangene Nachrichten sind uneingeschränkt möglich.“ Davon kann nämlich keine Rede sein. Das ganze Ding stottert vor sich hin und jede zweite Anmeldung schlägt fehl. Beim jeden dritten Mal wird man nach wenigen Minuten mit der Meldung, die Sitzung sei abgelaufen (die frühestens nach 30 Minuten kommen dürfte) zwangsabgemeldet.
Und dann: „Status 11.2.2019: Die Störungen dauern leider an. Wir halten Sie auf dieser Seite aktuell unterrichtet.“
Das sind jetzt 12 Tage, seitdem die Macher die Funktionsstörung ihrer Seite festgestellt haben (sie trat auch vorher schon sporadisch auf. Jede Fehlermeldung wurde aber sofort gelöscht.). Und nach 12 Tagen Hochdruck noch immer keine Abhilfe. Was machen diese Leute eigentlich beruflich?