Sind wir noch zu retten?

Folgendes geschieht im Land der Willkommenskultur 2020 und 2021.
Die Ausländerbehörde Stendal will eine tschetschenische Familie mit einer an chronischen Depressionen leidenden Mutter und fünf Kindern nach Polen abschieben.

Der Abschiebebescheid wird an eine alte Adresse in Bernburg zugestellt, als die Familie auf Weisung der Ausländerbehörde gerade nach Stendal gezogen ist. Die Klage dagegen kommt zu spät, weil der Verwaltungsrichter feststellt, die Ausländer, die „eigenmächtig“ in die Bundesrepublik eingereist seien, hätten von sich aus dem Bundesamt ihre neue Adresse mitteilen müssen. Daß sie das zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses noch gar nicht konnten, spielt keine Rolle. Der Verwaltungsrichter weiß: seine Entscheidung ist unanfechtbar. Er tut, was er kann, um der Flut von eigenmächtig einreisenden Ausländern Herr zu werden, ohne Rücksicht auf jede intellektuelle Redlichkeit – von Anstand ganz zu schweigen.
Die erste Abschiebung scheitert, weil die Mutter in stationärer Behandlung in der Psychiatrie ist. Zwar kommt die Sachbearbeiterin bei der Ausländerbehörde auf den cleveren Gedanken, man könne ja den Vater mit den Kinder erst einmal allein abschieben. Aber das scheitert daran, daß Polen die Familie nicht trennen will und keine Teilfamilien ins Land läßt. Aber es scheitert eben auch NUR daran. Daß die Behörde – und damit auch die betreffende Sachbearbeiterin – gemäß Art. 6 GG verpflichtet ist, die Familie zu schützen, spielt in unserem Deutschland keine Rolle mehr. Weit sind wir gekommen, Herr Seehofer? Der AfD muß der Gedanke doch schon einmal gefallen.

Die zweite Abschiebung scheitert an der Grenze. Ein dafür honorarmäßig belohnter Arzt meint, daß er seiner ärztlichen Pflichten, zu heilen und zu helfen, am besten genügt, indem er den Betroffenen einen Corona-Test abnimmt – von einer ärztlichen Aufklärung findet sich nichts in der Akte – und sie dann zur Grenze begleitet. Er bescheinigt allen Beteiligten Gesundheit. Offenbar hat er kein Fieberthermometer zur Hand. Die polnischen Grenzbehörden in Frankfurt/Oder aber schon. Zwei Kinder haben Temperatur. Also geht´s wieder zurück nach Stendal. Was hat der Spaß gekostet: 900 € für die Busfahrt. Plus die Kosten für eine ganze Menge Bundespolizisten und den Arzt.

Kleine Randbemerkung: bei der Einholung von Angeboten von Busunternehmen wird gebeten, die Anfrage „diskret“ zu behandeln. Ich wünschte, das deutete auf einen Rest an Schamgefühl hin. Aber wahrscheinlich ist das nur die Art von Heimlichtuerei, die immer dann zum Einsatz kommt, wenn jemand etwas tut, was definitiv eine Sauerei ist, über die man besser nicht redet. Macht die Sache einfacher.

Merkt von den Beteiligten eigentlich noch jemand, in welchen rechtlich und moralisch abseitigen Winkeln sie sich herumdrücken? Oder müssen die gedanklichen Deformitäten, die bei solchen Aktionen zutage treten, erst bei den dafür Verantwortlichen selbst – und nicht nur bei den Betroffenen – zu psychischen Problemen (früher schlechtes Gewissen genannt) führen, damit der Gedanke an einen Wandel überhaupt denkbar wird? Bis Horst Seehofer in der Psychiatrie landet, können wir lange warten. Eine Änderung wird sich nur einstellen, wenn alle, die meinen, daß sie damit eigentlich nichts zu tun haben, zu dem Ergebnis kommen, daß sie damit eigentlich doch etwas zu tun haben, und der Gedanke, daß das alles für uns alle sehr peinlich ist, denkbar wird. Denn im Moment ist das nicht peinlich, sondern egal. Fragen Sie nur Ihre Nachbarn. Fragen Sie sich selbst.

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