Was man beim Amtsgericht Schönebeck alles darf und nicht darf und woran man erkennt, daß ein Schönebecker Richter doch nicht befangen ist.
Ein Schönebecker Richter darf einem Zeugen etwas vorhalten, was der gar nicht gesagt hat, und zwar mit dem Worten: „Sie haben mir gerade gesagt, daß …“
Das darf er erstens deshalb, weil man erkennt, daß der Vorhalt eine Schlußfolgerung darstellt.
Ernsthaft: Es „kann dahinstehen, ob der abgelehnte Richter den gerügten Vorhalt als Schlussfolgerung ausdrücklich kenntlich gemacht hat. Denn das war ganz offensichtlich und für die Zeugin auch erkennbar.“ (RiAG Mundt in seinem Beschluß vom 08.03.2024). Woran man das erkennen soll, muß offensichtlich deshalb nicht erklärt werden, weil es so offensichtlich ist.
Das darf er zweitens deshalb, weil dies der Zeugin „Gelegenheit geben sollte, den vom Gericht gewonnenen Eindruck zu korrigieren oder zu bestätigen.“ Es ist ja aussagepsychologisch ein bekanntes Phänomen, daß es Zeugen besonders leicht fällt, den Eindruck, den ein Richter von ihren Aussagen gewonnen hat, zu korrigieren und dem Richter direkt zu widersprechen. In diesem Sinne kann es der Wahrheitsfindung nur ganz besonders dienen, dem Zeugen falsche Vorhalte zu machen, weil der ja dadurch reichlich Gelegenheit erhält, das noch einmal zu korrigieren (oder zu bestätigen).
Diese Passage mag einen Eindruck von dem ganz besonders griffigen Umgang mit der Strafprozeßordnung im Amtsgericht Schönebeck vermitteln. Das bestätigt sich dann auch prompt, wenn es heißt:
Das dürfe der Richter drittens deshalb, weil das „ein Vorgang ist, der in Gerichtssälen ständig vorkommen dürfte“. In Gerichtssälen in Schönebeck vielleicht. Aber sonst?
Kommen wir zu dem, was man nicht darf.
Der Verteidiger, der in seinem schlichten Gemüt diese Art der Wahrheitsfindung verkannte und meinte, der Vorhalt sei nicht nur falsch, weil die Zeugin das vorgehaltene nie gesagt hatte – was in der dienstlichen Stellungnahme des abgelehnten Richters auch gar nicht in Abrede gestellt wurde (Stichwort „Schlußfolgerung“) -, sondern auch hoch suggestiv und deshalb dem Richter ins Wort fiel, der missachtete die dem Richter anvertraute Verhandlungsleitung.
Es handelt sich bei seiner Beanstandung um eine „regelwidrig vorgenommene Intervention“. Statt die Vernehmung durch den Vorsitzenden abzuwarten, intervenierte der Verteidiger „ohne um das „Wort“ zu bitten, riss so die Verhandlungsleitung faktisch an sich und „störte“ offenbar die Vernehmung“. Über gerichtliche Vernehmungen durch Amtsrichter hat Heinrich von Kleist zwischen 1802 und 1811 mal ein ganzes Theaterstück geschrieben – wie hieß es nur gleich? Aber er hat es vorsichtshalber in das Jahr 1695 verlegt, die Zeiten sind längst vorbei und in Schönebeck wird Zeugen stets und insbesondere am 26.02.2024 Gelegenheit gegeben, richterlich gewonnene Eindrücke zu korrigieren und Verteidiger, die die Verhandlungsleitung faktisch an sich reißen, gehören zurechtgewiesen und deshalb kommt der eigentliche Ablehnungsgrund, nämlich daß der abgelehnte Richter die Frage, ob sein Vorhalt zulässig sei oder nicht, die Gegenstand der regelwidrig vorgenommenen Intervention war, nicht erörtert, sondern sogleich mit einen – in seiner dienstlichen Stellungnahme nicht bestrittenen – „Jetzt reicht’s mir aber“ beantwortet hat, in dem Unbefangenheitsbeschluß auch gar nicht vor.
Auch dies könnte ein Vorgang sein, der in manchen Gerichtssälen ständig vorkommen dürfte.