BAMF!

Wenn in Bremen beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge durch 1.200 rechtswidrige Bescheide Flüchtlinge zu Unrecht ein Bleiberecht erhalten (das ihnen übrigens durch Wiederaufnahme des Verfahrens jederzeit wieder aberkannt werden kann), dann ist das ein furchtbarer Skandal, der sorgfältig untersucht und künftig unbedingt verhindert werden muß.
Wenn hingegen beim BAMF seit Jahren bundesweit eine fünfstellige Zahl von Flüchtlingen zu Unrecht abgelehnt werden (und diese rechtswidrigen Bescheide nur aufgehoben werden, wenn dagegen geklagt wird und das Verwaltungsgericht den Bescheid aufhebt), dann ist das für die Innenminister und für die Öffentlichkeit nicht der Rede wert.

Dabei ist folgendes bemerkenswert:
1. Die Aufhebungsquoten bei den Verwaltungsgerichten sind beachtlich.
2. Das beeindruckt beim BAMF anscheinend niemand. Die Qualität der Ablehnungsbescheide scheint nicht verbesserungswürdig.
3. Klage wird ohnehin nur in einem Teil der abgelehnten Fälle erhoben. Das liegt schon daran, daß der nicht sprach- und schon gar nicht rechtskundige Flüchtling selbst gar nicht in der Lage ist zu klagen und er innerhalb von einer – maximal aber zwei – Wochen einen Anwalt aufsuchen muß, der für ihn Klage erhebt. Was ist eigentlich mit den Fällen, in denen gegen eine rechtswidrige Ablehnung nicht mehr Klage erhoben werden kann?
4. Die Klagemöglichkeit wird durch eine Einführung von Ankerzentren weiter verringert.

Wie unterschiedlich diese beiden Phänomene
– hier eine relativ geringe Zahl rechtswidriger Bescheide unter offensichtlich singulären und jedenfalls auch irregulären Umständen zustandegekommen
– dort eine wirklich große Zahl systembedingt rechtswidriger Bescheide zum Nachteil wehrloser Schutzsuchender
wahrgenommen und bewertet werden, ist atemberaubend. Daß sich diejenigen, die die politische Macht haben (oder jedenfalls behaupten, sie zu haben), diese Umstände zu gestalten, und diejenigen, die das Sprachrohr der Gesellschaft darstellen (wollen), so einig sind, das eine an die große Glocke zu hängen und das andere zu beschweigen, läßt erkennen, daß unsere Entfernung von dem, was schon einmal „Humanitätsduselei“ genannt wurde, und heute als Produkt der „Anti-Abschiebe-Industrie“ dargestellt wird, zunimmt.

„Die Fremdlinge sollst du nicht bedrücken, denn ihr seid auch Fremdlinge in Ägyptenland gewesen“ (2. Mose 22 Vers 20) scheint überholt zu sein. Offenbar ist niemand von uns je irgendwo fremd gewesen. Soweit man sich erinnern kann.

beA – and a happy new year!

Nun ist der zweitgrößte anzunehmende Unfall eingetreten. Das beA ist eine Woche, bevor der Zwangsanschluß aller Anwälte wirksam werden sollte, komplett abgeschaltet worden.

Fünf Jahre nach Konzepterstellung und Planung, zwei Jahre nach der Installation, ein Jahr nach Aufnahme des Probebetriebs unter Realbedingungen.

Wegen ganz plötzlich (Bundesrechtsanwaltskammer: „… die Bundesrechtsanwaltskammer wurde gestern Abend darüber informiert…“) aufgetretener Sicherheitslücken. Die bis dahin niemand gesehen hatte.
Wer die arrogante Wir-haben-an-alles-gedacht Bräsigkeit der Protagonisten dieses Systems in den öffentlichen Darbietungen zur Vorstellung dieses Systems erlebt hat, wundert sich darüber nicht. Falls die Besteller, die ja vermutlich Sitz  und Stimme in der  Bundesrechsanwaltskammer haben, sich überhaupt in irgendeinem Aspekt haben beraten lassen – und damit meine ich nicht durch den Anbieter ATOS -, dann kann man ihnen jedenfalls die für Funktionäre vermutlich unabdingbare hinreichende Beratungsresistenz bescheinigen. Das konnte ja nicht funktionieren.

Darauf, daß das ganze System den Praxistest nicht bestehen würde, hätte ich ohnehin gewettet (bzw. habe ich). Daß das noch vor dem eigentlichen Start geschehen ist, hat mich allerdings überrascht. Der Abbruch ist von außen – quasi durch einen simulierten Einbruch – erzwungen worden. Auf die Einsicht der Beteiligten ist er nicht zurückzuführen. Deshalb darf man gespannt sein, worin nun die Lösung bestehen soll. Entweder es wird etwas angestrickt – ein erster Versuch dieser Art, mit einem Hauruck-Zusatz-Zertifikat eine Lücke zu schließen, dafür aber eine Bresche in die Mauer zu schlagen, durch die gleich Hundertschaften fahren könnten, ist schon innerhalb der ersten 24 Stunden gescheitert – oder das ganze System wird „überarbeitet“ – will sagen: mehr oder weniger komplett neu geschrieben. Das wird dauern.

Warum das alles?

Das beA ist ein möglicher Weg, Zustellungen an den Anwalt zu bewirken. Zustellungen lösen häufig Fristen aus, nach deren Verstreichen Prozeßhandlungen des Anwalts (Anträge, neuer Sachvortrag, Rechtsmittel) nicht mehr möglich sind. Dafür muß eine jede Zustellung nachweisbar sein. Die bisherige Methode – Zustellung gegen Empfangsbekenntnis – ist zuverlässig aber langsam und teuer. Das beA wäre als Zustellungsmethode schnell und billig. Aber ist es zuverlässig? Gelingt auch nur einmal der Einwand, jemand außerhalb der Anwaltskanzlei habe auf das beA zugegriffen und etwa die fristgebundene Zustellung gelöscht, bevor der Anwalt sie zur Kenntnis genommen haben konnte, dann ist das beA als Zustellungsweg vermutlich erledigt. Die Zustellung wäre dann nicht mehr nachweisbar, der Fristenlauf gehemmt, Rechtskraft stets eine Frage nachträglicher Überprüfung.

Gegenwärtig ist die Justiz zwar nur zu einem sehr geringen Teil überhaupt in der Lage, Zustellungen per beA zu bewirken. Das könnte sich aber bald ändern, wenn das beA erst einmal verpflichtend im Betrieb ist. Geht es in Betrieb und wird es für Zustellungen flächendeckend genutzt, hätte ein Versagen vermutlich dramatische Folgen.

Deshalb ist das, was sich jetzt zu Silvester bei BRAK und ATOS, den beiden braven Hütehunden der digitalen Herde unter den Anwälten abspielt, auch nur der zweitgrößte anzunehmende Unfall. Der größte wäre es, wenn die Zäune erst einmal aufgestellt sind, die Herde fröhlich auf der großen beA-Wiese weidet und dann der Wolf kommt, mit elegantem Sprung über den Zaun setzt und damit zeigt, daß Sicherheit immer – auch beim beA – nur relativ ist. Diese Erkenntnis steht den Betreibern offenbar noch bevor. Denn dieses Jahr kam der Wolf zu früh. Happy New Year!

Eine Weihnachtsgeschichte

Der in Togo geborene Dawud und sein vertrautes Weib Saudatu machen sich aus Ghana, wo beide seit ihrer Kindheit gelebt haben, mit 27 Jahren auf nach Cagliari auf Sardinien. Das sind etwa 6.000 km. Und dann reist das Paar weiter nach Unna. Das sind weitere 1.700 km. Von dort wird das Paar weitergeschickt – denn sie hatten keinen Raum in der Herberge – nach Karlsruhe und dann nach Mannheim. Diese Kilometer zählen wir jetzt mal nicht. Und hier angekommen – nach monatelanger Reise und knapp 8.000 km – hatten die beiden irgendwie ihre Heiratsurkunde nicht zu Hand. Zwar war die Frau schwanger und beide erklärten, sie wüßten ganz genau, daß sie verheiratet wären. Aber – hier endet die Parallele zum Stall von Bethlehem und es wird ernst – es konnte nicht sein, daß beide in Baden-Württemberg blieben. Zwar konnte der Ehemann wohl bleiben – nein er mußte das sogar, weil er diesem Bundesland zugewiesen worden war. Aber die Frau mußte nach Sachsen-Anhalt und in einen anderen Stall. Der liegt am Trüben Weg in Klietz (so heißt das da).
Zwar hat sich inzwischen die Heiratsurkunde wieder angefunden. Nur ist die Verteilung nun einmal erfolgt und die läßt sich nicht rückgängig machen.
Und wie ging das, was als eine Art Weihnachtsgeschichte begonnen hatte, in der Wirklichkeit weiter?

Nun, wie sich das für eine moderne Weihnachtsgeschichte gehört, mit einer email des Sachbearbeiters Volker J an Jacob D, die da lautete:
„Hi Jacob,
es ist so, wie Du vermutet hast. LEIDER
Die Antragsteller Dawud … und Saudatu … konnten nicht nachweisen, dass sie verheiratet sind. Daher kann das BAMF nur den Antragsteller Dawud hier registrieren. De Antragstellerin Saudatu müsste nach NRW oder Sachsen-Anhalt zur Antragstellung“.

Da war man an sich noch nicht so wirklich weit weg von Josef und Maria, denn die hatten bestimmt auch keine Heiratsurkunde dabei.
Aber Jacob D schrieb an die Menge der himmlischen Heerscharen, die noch mit diesem Fall befaßt waren, nämlich an Katarina B, Carolin W, Doreen K, Anna B, Christian Pf und Christian B, was nun zu tun wäre. Und alle Beteiligten wirkten kräftig mit, die Eheleute in zwei Ställen, die möglichst weit voneinander entfernt waren unterzubringen. Und war das nun ein Fortschritt gegenüber vor 2.000 Jahren, als es nur ein einziger Stall gewesen war, und den hatte man sich noch mit Ochs und Esel teilen müssen?

Nun war ein Stall in Heidenheim an der Brenz und der andere in Klietz am Trüben Weg. Ach – und fröhliche Weihnachten!

Und alle Beteiligten dachten sich nichts Böses dabei, sondern taten nur, was Ihnen aufgetragen worden war, und im übrigen war ihnen das Schicksal der beiden ja auch ziemlich egal.

Nun ja, nicht ganz. Die Sachbearbeiterin in Heidenheim, Franziska A, scheint doch ein gewisses Interesse an der Sache entwickelt zu haben. Sie schreibt in einer email an ihr Regierungspräsidium:

„… habe o.G. Person heute eine Duldung ausgestellt.
Ich hoffe, dass er nächste Woche zur Abholung vorbei kommen wird.
Ist in Sachen Abschiebung schon etwas geplant?
Wir haben eine Umverteilungsantrag der „Ehefrau“ vorliegen.
Sie möchte zu ihm nach Heidenheim ziehen.
Sollte er aber zeitnah abgeschoben werden, wäre der Umverteilungsantrag hinfällig.“

Nun ist Weihnachten. Und er ist immer noch da. Der Umverteilungsantrag ist nicht hinfällig. Aber auch nicht entschieden. Ob die beiden zusammen feiern können, steht in den Sternen. In den Akten des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (das man mal umbenennen müßte: „für“ ist ein redaktioneller Fehler, es muß „gegen“ heißen) steht es nicht so.

Man sieht: es hat sich nicht so viel geändert in den letzten 2.000 Jahren. Nur haben Maria und Joseph jetzt akkurate Aktenzeichen. Bei ihr ist es Verwaltungsgericht Magdeburg – 7 A 848/17 – und bei ihm Verwaltungsgericht Stuttgart – A 5 K 17836/17 -. So hat doch alles seine Ordnung. Aber der Mensch ist noch immer des Menschen Feind.

Nachwort zu einer Erzählung, die noch nicht geschrieben ist

Los geht´s mit dem beA ja erst am 01.01.2018. Aber man kann jetzt schon haarsträubende Geschichten erzählen. Wie wird das im neuen Jahr ablaufen? Wenn man aufgrund der zurückliegenden Zeit eine Prognose abgeben soll, etwa so.

Bei der Anmeldung und beim Betrieb des beA greifen Browser und ein separates client security Programm eng verzahnt zusammen auf den beA-Server zu. Wie diese Zusammenarbeit funktioniert und welches Modul wann auf den Server zugreift und vor allem: woran es jetzt gelegen hat, daß Weiterleitung empfangener Sendungen oder die Sendung eigener Nachrichten nicht funktioniert hat, ist für den Benutzer völlig intransparent.
Fehlermeldungen wie „Es ist ein Verbindungsfehler aufgetreten. Bitte überprüfen Sie Ihre Internetverbindung.“ sind falsch.
Vollzugsmeldungen wie „Ihre Nachricht wurde verschlüsselt und gesendet.“ sind ebenfalls falsch. Wenn diese Nachricht kommt, heißt das nicht, daß die Nachricht den Server des Empfängers erreicht hat – und darauf dürfte es für fristgebundene Sendungen ankommen. Das wird nicht extra bestätigt. Dafür muß man entweder das Fach „Postausgang“ öffnen. Solange die Nachricht dort erscheint, ist sie nicht abgegangen und die Frist ist nicht gewahrt. Oder das Fach „Gesendet“ öffnen. Wenn die Nachricht dort mit dem Vermerk „Erfolgreich“ erscheint, ist sie wahrscheinlich beim Server des Empfängers eingegangen. Das kann übrigens einige Zeit dauern.
Was das für die Anwaltshaftung bei Sendungen bedeutet, von denen der Anwalt davon ausging, sie seien „gesendet“, aber – Überraschung! – dann doch nicht angekommen, kann man sich vorstellen.

Am 25.11.2017 wurde eine geänderte Version der beA-Software (der Javascript-Prozedur, auf der die Darstellung des Postfachs im Browser beruht) installiert. Erfahren hat das der Benutzer nur durch Zufall. Es wurde vorher nicht angekündigt. Es war eben beA für einige Zeit nicht erreichbar. Nachrichten konnten in dieser Zeit nicht versandt werden und es wurde auch nicht kommuniziert, wann das wieder möglich sein würde. Wenn man nicht wüßte, daß für´s beA erhebliche Mittel aufgewendet werden, für die wiederum Anwälte zur Zahlung verpflichtet werden, die mit diesem Bastelwerk arbeiten müssen, würde man denken, es handle sich um die elektrische Eisenbahn im Keller irgendeines Rentners, die dieser nach Lust und Laune der Öffentlichkeit zugänglich macht oder nicht. Aber man wird damit arbeiten müssen und dafür ist die Umgang mit den Betroffenen sehr eigenartig.

Nach dem Update am 25.11.2017 wurde der Zugang zum beA auf einmal sehr ausfallbedroht. Mal funktionierte schon die Anmeldung nicht. Mal ließen sich Nachrichten nicht versenden. In etwa 50% der Versuche blieb die Prozedur irgendwo stecken. Fehlermeldungen sind bei diesem System nach meinem Eindruck erstens Mangelware und zweitens irreführend. Wenn es wirklich klemmt, kommt gar keine Fehlermeldung, sondern die Prozedur bleibt einfach stehen. Man erfährt nicht, woran es liegt. Man kann nur abbrechen und von vorne anfangen. Dieses Programm geht mit der Arbeitszeit von Anwälten um wie VW mit der Abgasreinigung. Der schöne Schein muß genügen.

Bei der Suche nach der Fehlerursache erfuhr ich, daß seit geraumer Zeit (konkreter wurde es auf ausdrückliche Nachfrage nicht) ein neuer client security installer vorhanden sei (Version 1.0.1.0.), während ich noch die Version 1.0.0.2. hatte. Dafür gibt es aber kein Update. Und natürlich gab´s auch keine Benachrichtigung. Sondern der Benutzer muß in der Systemsteuerung seines Windows-Betriebssystems selbst den beA client security installer deinstallieren (kein Witz!) und dann von der beA-homepage den neuen installer herunterladen und installieren.
Wie darf man sich das in Zukunft vorstellen? Ab 01.01.2018 arbeiten tausende von Anwälten mit dieser Software. Der Betreiber der Seite entschließt sich, einen neuen client security installer herauszubringen. Nicht einer – nein tausende Benutzer werden dann anfragen, warum der Zugang nicht mehr funktioniert. Die werden dann – wenn sie es schaffen, zur hotline durchzudringen – darauf verwiesen, den alten installer zu deinstallieren und den neuen zu installieren. That´s rock´n´roll!

Seit vielen Monaten tritt beim Aufruf empfangener Nachrichten folgendes Phänomen auf. Nachdem die Meldung „Die Nachricht wird entschlüsselt und geöffnet“ erschienen ist, sind plötzlich sämtliche Anhänge (die PDF-Dateien mit den Schriftsätzen, auf die es gerade ankommt) nicht mehr sichtbar. Das betrifft ausschließlich Nachrichten vom Gericht – die aber alle.
Die endlose Suche nach der Ursache in Telefonkonferenzen mit der Hotline (an dieser Stelle unvermeidbar: Grüß Gott, Herr Pollner!) hat schließlich eins zutage gefördert: wenn das Fenster, in dem das beA geöffnet ist, eine bestimmte Breite unterschreitet, werden die Anhänge in Nachrichten von Gerichten ausgeblendet. Können Sie sich so eine Fehlleistung eines Programms vorstellen? Auf so etwas muß man erst einmal kommen. Ob und wann es hier eine Abhilfe gibt, steht in den Sternen.

Aber dieses Phänomen führt doch zu zwei Gedanken:
1. was mag eine Software, die so programmiert ist, daß eine bestimmte Breite des Fensters erforderlich aber nirgendwo dokumentiert ist, noch so alles enthalten, was sie in der Praxis ausgesprochen unkomfortabel macht? Die Antwort liegt nicht nur auf der Hand, sie ist leider auch richtig. Diese Software ist an sehr sehr vielen Stellen schräg und an einigen Stellen richtig absonderlich, so daß sie das Arbeiten außerordentlich erschwert.
2. wer mag diese Software geschrieben haben? Das ist entweder der eigensinnigste und skurrilste Javascript-Programmierer, der sich für Geld auftreiben ließ, und dessen Ideen, wie ein user-Interface auszusehen hat, sich hoffentlich nie durchsetzen werden. Oder das ist jemand, der keine Ahnung hat, was er da eigentlich tut, und dem zu empfehlen wäre, sich mit Dingen zu beschäftigen, bei denen er weniger Schaden anrichten kann. Was ich mir nicht vorstellen kann, ist, daß ein ganzes Team so viel Unsinn anrichten kann. Aber wer weiß? Wenn es nur einer ist: ich würde ihn – nur interessehalber – gerne kennenlernen. Also: wer den Meister kennt, möge sich melden.

Mal wieder die Ausländer II

Der Landkreis Stendal in Gestalt seiner Rechtsamtsmitarbeiterin M. Voigt schafft es, das bisherige Geschehen noch zu übertreffen.
Ja, schreibt sie, der Landkreis weigert sich ganz ausdrücklich, der illegal eingereisten schwangeren Frau eine Duldung zu erteilen. Begründung; sie sei dem Landkreis ja gar nicht zugewiesen, dieser also irgendwie nicht zuständig. Dennoch hat es der nicht zuständige Landkreis erst einmal fertiggebracht, der armen Frau den Paß wegzunehmen.
Vom verfassungsrechtlichen Schutz von Ehe und Familie weiß der Amtsschimmel nichts.
Nun hat der nicht zuständige Landkreis Strafanzeige erstattet. Gegen die Antragstellerin, weil sie unerlaubt eingereist ist. Gegen den Ehemann – egal, warum auch immer. Und gegen den Rechtsanwalt, weil er bei der unerlaubten Einreise in Schengen-Staaten (?) Hilfe geleistet haben soll. Die Rechtsamtsmitarbeiterin ist da möglicherweise im Gesetz in der Zeile verrutscht; ich lernte die Frau erst kennen, als sie schon in Deutschland war. Eine Hilfeleistung, gleich in welcher Form, war mir also bei ihrer Einreise in Schengenland gar nicht möglich. Außerdem: soll die strafbare Hilfeleistung in rechtlicher Beratung und Vertretung bestanden haben?
Das wirft ein bezeichnendes Licht auf die Qualität der sonst vom Rechtsamt des Landkreises zu treffenden Entscheidungen.
Aber abgesehen von dem jammervollen Niveau pseudojuristischer „Argumentation“ erinnert diese Vorgehensweise schon stark an die stumpfen Disziplinierungsversuche der Staatsmacht in autoritären Staatsgebilden gegenüber Rechtsanwälten und ähnlichen Berufen. Es genügt nicht, den Gegner – hier also den Ausländer selbst – zu jagen. Nein, es gilt auch, seine Rechtsvertreter zu verfolgen, in der Hoffnung, das möge abschreckend auf andere wirken.
Zum aktuellen Feldgeschrei der AfD nun das passende behördliche Rabaukentum. Da scheint dem Landrat einiges aus dem Ruder zu laufen.

Ein Nachtrag: die Staatsanwaltschaft hat am 17.01.2018 die Eröffnung eines Ermittlungsverfahrens abgelehnt, weil für die behauptete Straftat keine zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkte vorliegen.

Mal wieder die Ausländer

Deutscher Ehemann und russische Ehefrau wenden sich an die Ausländerbehörde des Landkreises Stendal. Sie ist hochschwanger und braucht ärztliche Hilfe. An sich ist das kein Problem. Wenn sie in Deutschland angemeldet ist, ist sie beim Ehemann familienversichert. Das weiß auch die Ausländerbehörde. Eine Abschiebung wäre unverhältnismäßig und kaum durchsetzbar. Aber man kann ihr ja die Duldung verweigern. Dann kann sie sich nicht anmelden und damit auch nicht ärztlich behandeln lassen bzw. wenn doch, muß sie Vorkasse leisten. Das wird es ihr zeigen, sich über die Visumvorschriften hinwegzusetzen. Das Kind ist deutsch? Ja, aber noch nicht geboren.
Die Eheleute wenden sich an das Verwaltungsgericht Magdeburg mit einem Eilantrag. Das Verwaltungsgericht hat es nicht eilig. Eingang des Antrags am 18.08.2017. Wiedervorlage am 30.08.2017.
In der Zwischenzeit muß die Schwangere sehen, wo sie bleibt. Rechtsschutz gibt es frühestens im September.
Was das ist? Willkommenskultur ist das, mit dem Aktenzeichen – 4 B 593/17 -. Die Eheleute werden das im Leben nicht vergessen.
Ginge es darum, daß die zuständige Richterin – nicht beruflich, einfach als Mensch – einer deutschen Schwangeren helfen müßte, Zugang zum Gesundheitssystem zu bekommen, würde sie sofort wissen, daß das keinen Aufschub duldet. Aber so?
Das ist kein Einzelfall. Sondern eine zunehmend häufiger anzutreffende Denkweise. Von der die Ausrufe bei Pegida-Kundgebungen und AfD-Veranstaltungen, den Ausländern würden zu viele Wohltaten zuteil, die „uns“ dann fehlen, nur die oberste Spitze einer unten sehr breiten Pyramide sind. Allmählich kann man den Eindruck gewinnen, daß Deutschland die ganze Humanitätsduselei, die der Nation vielleicht immer fremd gewesen ist, abstreift und sich wieder auf das besinnt, was Deutschland immer ausgemacht hat: Recht und Ordnung und sonst Nichts.

Das besondere elektronische Postfach. Letzter Teil.

Dieser Beitrag (wie die vorangegangenen) beschäftigen sich mit den Eindrücken, die man sammeln wird, wenn man das – ab 2018 verbindlich zu nutzende – besondere elektronische Anwaltspostfach in Betrieb nehmen will.

Teil 1 beschäftigte sich mit Programmstart und dem Sicherheitsgedanken, Teil 2 mit dem Unterschied zwischen Funktion und Funktionalität, Teil 3 mit der Frage, warum Software ganz allgemein nie so funktioniert, wie man das erwartet, Teil 4 mit dem üblichen Gejammer über die Praxisferne dieses Konstrukts und Teil 5 zeigt dem neugierigen Benutzer die Grenzen auf. Der letzte Teil beschäftigt sich mit der Frage, ob das besondere elektronische Postfach bis zum 01.01.2018 eine wundersame Wandlung zu einem funktionierenden effizienten Arbeitsmittel durchmachen wird oder ob durch den Ansturm auf die Server dieses Systems am Dienstag 02.01.2018 alles zusammenbrechen wird

Ich habe mit der Geschäftsführerin der RAK Sachsen-Anhalt gewettet, ob dieses Postfach bis zum (oder vielmehr ab dem) 01.01.2018 funktioniert. Klar wird man irgendwie Nachrichten versenden können. Und man wird Nachrichten empfangen müssen. Aber es wird so grausam viel schlechter sein als das altbackenste email-Programm, das heute noch zum Laufen zu bringen ist, daß man aus dem Kopfschütteln gar nicht mehr herauskommen wird. Und es wird einen so überschaubaren Funktionsumfang haben, das es einem um das Geld leid tun wird, das man gezwungenermaßen für dieses Machwerk aufwenden muß. Und es wird mit einer Bräsigkeit als das Non plus Ultra sicherer Nachrichtenversendung angepriesen werden, daß einem die Frage, ob das nicht auch weniger umständlich zu haben wäre, im Halse stecken bleiben wird. Funktionieren und Funktionalität – das kann man an diesem Beispiel mittelmäßigen Software-Engineerings gut beobachten – sind zwei verschiedene Dinge.

Eins muß man sagen: ATOS scheint emsig bemüht zu sein, dem System die Kinderkrankheiten auszutreiben. Das wird aber an den grundlegenden Problemen der Implementation nichts ändern.

Und noch eins: die Zeit bis zum 01.01.2018 ist ja ausdrücklich für den Testbetrieb bestimmt. Allerdings hat der Testbetrieb seine Grenzen.

Post an Anwälte zu versenden, hat schon deswegen wenig Sinn, weil nicht erkennbar ist, wer erreichbar ist und wer nicht.

Bei Gerichten – die ja schon lange über das an sich schon lange installierte EGVP-System erreichbar sein sollten – kann man bemerkenswerte Erfahrungen machen. Einige Gerichte verfügen zweifellos über ein Postfach, sind aber nicht im Verzeichnis (Beispiel: Landgericht Stendal, Amtsgericht Ludwigslust, fast alle Hamburger Gerichte).

Das Amtsgericht Stendal und das Amtsgericht Magdeburg übermittelten mir freundlicherweise den Hinweis, daß die angeschriebenen Abteilungen über das EGVP nicht erreichbar seien (die Nachricht aber dieses Mal unverbindlich weitergeleitet würde). Zugleich erhielt ich auch den Hinweis auf das Verzeichnis der aktuell erreichbaren Gerichte. Die Überprüfung, welche Abteilung welches Gerichts erreichbar ist oder nicht, ist anhand dieser Liste keineswegs trivial und nimmt so viel Zeit in Anspruch, daß jede Hoffnung darauf, daß dies in absehbarer Zeit ein zeitsparender und effektiver Kommunikatonsweg werden könnte, sich sogleich verflüchtigt.

In einem anderen Fall erhielt ich folgende Antwort auf einen per beA übersandten Schriftsatz:

Sehr geehrter Absender,

in Niedersachsen ist es noch nicht möglich und gestattet in allen Rechtsgebieten Nachrichten über EGVP zu versenden. Der elektronische Rechtsverkehr ist ausschließlich Insolvenz- u. Nachlasssachen vorbehalten. Sie erhalten deshalb Ihre Eingabe unerledigt zurück.

Mit freuindlichem (!) Gruß
Amtsgericht Hameln

Wenigstens hat das ein Mensch verfaßt. Der verläßt sich offenbar darauf, daß am 02.01.2018 alles einfach so klappen wird. Testen muß man nicht.

Aber wenn man schon testen will: kann man überhaupt feststellen, ob das System – mit schon jetzt in praktisch lastlosem Betrieb teilweise bedenklich langen Antwortzeiten – einem echten Ansturm von Nachrichten und den im Durchschnitt doch recht großen Datenvolumina standhalten kann? Das scheint mir der Punkt zu sein, an dem das größte Fragezeichen zu machen wäre. Denn die zweite Sendung kann der Anwalt erst absetzen, wenn die erste Sendung erfolgreich war. Und wenn die schon klemmt, kann man sich auf stundenlange Sitzungen vor dem Gerät einrichten. Da wird die Fristüberschreitung durch technische Probleme zu einer realen Gefahr und das gute alte Fax zu einem Rettungsanker.

Aber es ist ja bekanntlich so: Am Ende wird alles gut. Und wenn es noch nicht gut ist, dann ist es nicht das Ende.

Die objektivste Behörde der Welt und der Verteidiger

Die objektivste Behörde der Welt – so bezeichnet sich gelegentlich die Staatsanwaltschaft selbst. Und wenn das auch in den Augen so manches Betroffenen als schlechter Scherz erscheinen mag – die Vertreter dieser Behörde glauben daran!

Manchmal ist diese Behörde sogar so objektiv, daß die Teilnahme anderer an den Ermittlungen nur schaden könnte. So etwa in diesem Fall (- 415 Js 1100/17 -).

Irgendjemand hat zu Silvester einen Knallkörper in einen Briefkasten gesteckt (oder so ähnlich). Der Briefkasten war nachher wohl hin. Was diese Tat aber zu einem schweren Verbrechen machte, war der Umstand, daß es der Briefkasten eines Polizeibeamten war. Man ahnt schon, daß sich die Tat gegen die Staatsmacht als solche gerichtet haben muß und folglich exemplarisch verfolgt gehört.

Zeugen werden durch die Polizei in aufdringlichster Weise vernommen. Das Ergebnis scheint den Anforderungen nicht genügt zu haben. Also werden die Zeugen zur staatsanwaltschaftlichen Vernehmung vorgeladen. Die Polizei ist bei dieser Vernehmung ebenfalls anwesend.

Aber halt! An dieser Stelle beantragt der Verteidiger, auch ihm die Anwesenheit bei den Zeugenvernehmungen zu gestatten.

Die objektivste Behörde der Welt lehnt das ab. Die Frage nach den Gründen wird (O-Ton der Sachbearbeiterin) mit den Worten beantwortet: „Weil ich das so entschieden habe.“

Auf den (mehrfachen) Hinweis, daß das keine Begründung für die Entscheidung ist, sondern lediglich die Entscheidung selbst zum wiederholten Male bekanntgibt, heißt es dann (wieder O-Ton der Sachbearbeiterin): „Ich möchte mich zu den Gründen nicht äußern.“

So macht man das!

Den Verteidiger von der Vernehmung ausschließen, gemeinsam mit der Polizei eine Druckbefragung vornehmen und anschließend die Gründe verschweigen. Auf die Ergebnisse dieser Verfahrensweise (und auf ihre Werthaltigkeit) darf man gespannt sein.

Die Entschlossenheit, mit der hier Geheimermittlungen vorgenommen werden, ist schon bemerkenswert. So offen zu erkennen zu geben, was man auf die Rechte des Beschuldigten gibt – nämlich nichts – und was man von der Teilnahme der Verteidigung im Ermittlungsverfahren hält – nämlich offenbar noch viel weniger – ist erst recht der öffentlichen Aufmerksamkeit wert.

Genauso sind die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft übrigens auch schon zu den höchst autoritären Zeiten der Strafjustiz des allerersten Preußenkönigs geführt worden. Viel geändert hat sich sich bei der Staatsanwaltschaft in den vergangenen 300 Jahren gedanklich anscheinend nicht.

Und sie meint wahrscheinlich, auf diese Weise der Wahrheitsfindung gedient zu haben. Oder wozu soll diese Verfahrensweise sonst dienen?

 

Das besondere elektronische Postfach. Teil 5.

Nun zur Dokumentation der Funktionen (einschließlich der Hilfe-Funktion) des beA durch die BRAK. Die paar FAQs, die die BRAK zum besten gibt, vermitteln vor allem den Eindruck, daß man sich dort zum einen mit den Funktionen des Interfaces noch nicht auseinandergesetzt hat und zum anderen geneigt ist, die praktischen Bedürfnisse des Anwalts, der damit arbeiten müssen wird, hintanzustellen. Es kann natürlich auch sein, daß der Softwarepartner, mit dem man sich da zu arrangieren hat, derart ahnungslos ist, was JAVA-Programmierung angeht, daß mehr an Funktionalität einfach nicht herauszuholen war. Dafür spricht, daß der Kontakt mit dem Service-Desk des Software-Erstellers die typische vollkommen nutzlose Freundlichkeit eines Callcenters bietet, die einen alsbald daran zweifeln läßt, daß dieser (oder jener) nette Ableser vorgestanzter Textbausteine jemals die Lösung von Irgendwas finden wird. Ruft man auf der Seite der BRAK die Hilfefunktion auf, werden zusammenhanglos irgendwelche Regeln aufgestellt. Besonders gut: „Wenn sich Ihr Browser über einen Proxy-Server mit dem Internet verbindet, müssen Sie bestimmte Einstellungen vornehmen“- alles klar? Ruft man unter „Weitere Aktionen“ die „Anwenderhilfe PDF“ auf, kommt eine seitenlange Erläuterung zur Installation und Verwendung des Chipkartenlesers – würde der nicht schon funktionieren, käme man gar nicht bis hierher.

Auf insgesamt 197 Seiten wird dann erläutert, welche Benutzer, Rollen, Rechte, Etiketten und viele andere Dinge man einrichten kann – genug Lesestoff für die langen Winterabende, die ich bis zum 01.01.2018, wenn es dann schließlich ernst wird, ja noch herumbringen muß.

Und immer neue erheiternde Details: das Amtsgericht Mayen – zentrales Mahngericht für Rheinland-Pfalz un d das Saarland – glaubt seit Jahren, es habe die Postleitzahl 56723. Das ist aber nicht so. Man findet es im Adressverzeichnis unter der Postleitzahl 56727. Anders wäre es zu einfach.

Fortsetzung folgt.

 

Eine kurze Bemerkung zum Bundeswirtschaftsministerium

Am 12.04.2017 habe ich für einen Mandanten Akteneinsicht beim Bundeswirtschaftsministerium beantragt. Der Mandant hatte am 19.10.2015 (!) einen Antrag gestellt, der nicht beschieden wurde, zu dem ihm auf wiederholte Nachfrage nicht mitgeteilt wurde, wann mit einer Entscheidung zu rechnen war, bei dem aber auch nicht erkennbar war, wieso eine Entscheidung schwierig war oder so viel Zeit brauchen könnte.

Am 05.05.2017 rief mich der Abteilungsleiter Regierungsdirektor Biermann an. Meinte, die Sache hätte sich doch längst erledigt.

Auf meinen Einwand, es gebe doch bisher noch keinen Bescheid an den Mandanten, meinte er, er werde sich die Sache mal ansehen.

Auf meine Frage, wann denn mit einer Antwort zu rechnen sein, konkret also, wann und wo ich Akteneinsicht nehmen könne, wurde es still.

Schließlich: das ginge jetzt seinen Gang. De Mitarbeiterin, die die Sache bearbeitet habe, sei nicht mehr im Referat. Wo die Akte war, in Berlin oder in Bonn, konnte Herr Biermann nicht sagen. Wann er es sagen können würde, konnte er auch nicht sagen. Er konnte überhaupt nichts mehr sagen. Auch die Frage, warum er nichts mehr sagen konnte, konnte Herr Biermann nicht beantworten.

Dieses Verhalten eines an sich ja x-beliebigen Abteilungsleiters einer Bundesbehörde war mehr als merkwürdig. Es hatte kabarettistische Züge.

Vielleicht liegt die Erklärung in der Liste der Behördenchefs der vergangenen 10 Jahre. Wolfgang Clement, Michael Glos, Karl-Theodor zu Guttenberg, Rainer Brüderle, Philipp Rösler, Sigmar Gabriel.

Alles ausgemachte Komiker – teils Amateure, teils unfreiwillig, aber immer mit vollem Einsatz.

Alle mit entschlossenem Sprung im politischen Abgrund verschwunden. Naja, bis auf den letzten. Der hat das Sprungbrett noch nicht verlassen.

Mal sehen, was dem Regierungsdirektor Biermann im Sinne seiner Amtsleitung noch so einfällt.