Ziehe 7000 Mark ein

Ich muß hier ein paar Bemerkungen über ein sehr instruktives Urteil des Landgerichts Stendal machen.

Denken Sie sich einen Anwalt, der in einer Familiensache außergerichtlich über Hunderte von Seiten völlig nutzloses Gewäsch absondert, das die Vermögenssituation der Eheleute am letzten Tag so unklar beläßt wie sie am ersten war und bei dem am Ende buchstäblich nichts herausgekommen ist, als daß die Ehe geschieden wurde. Dieser Anwalt läßt sich seine außergerichtliche Glanzleistung dadurch versilbern, daß er aus den fantastischen Vorstellungen der Eheleute über das Vermögen des jeweils anderen einen ebenso fantastischen Gegenstandswert konstruiert, der dann die Grundlage für seine fantastischen Gebühren bildet. Die Ehescheidung zahlte schon der Staat.

Dem Opfer – Mandant möchte man das fast nicht nennen – war nicht klar gewesen, daß der Gedanke, 10.000 oder 20.000 oder 50.000 oder 250.000 oder 300.000 von der Gegenseite fordern zu können, ein angenehmes Kribbeln auslösen mochte, am Ende aber nur eine entsprechende Gebührenrechnung ausgelöst hat, weil der Anwalt das Opfer nicht daraus hinwies, daß solche Forderungen völlig irreal waren, sondern diese aktiv unterstützte und am Ende seine Rechnung damit begründete.

Soweit die Vorstellung. Nur das Urteil des Landgerichts ist real, weil da genau solche ausgedachten Gegenstandswerte zur Grundlage der Gebührenrechtsprechung gemacht werden. Wenn der ahnungslose Mandant „eine Million“ ruft, weil´s gut klingt und der Anwalt daraufhin „Ach was, zwei Millionen!“ ruft, weil es noch besser klingt, dann ist das nicht verantwortungslos, sondern löst nach der Rechtsprechung des Landgerichts entsprechende Gebührenansprüche des Anwalts aus. Sonst kann da nicht viel passieren, weil der Anwalt schlau genug ist, die Forderung nur außergerichtlich geltend zu machen – einen Rechtsstreit würde man verlieren.

Und selbst dem allervernagelsten Anwalt wird noch auf die Sprünge geholfen. Wenn der tatsächlich über zwei Instanzen behauptet, allein das Entgegennehmen der Post löse schon Gebühren aus, wird ihm geduldig erklärt, das allein reiche nicht, sondern es sei schon eine Prüfung, ob etwas veranlaßt sei, erforderlich, worauf endlich der Groschen fällt, und der Anwalt erklärt, jetzt falle ihm ein, daß er natürlich auch die Notwendigkeit geprüft habe, ob auf den Posteingang etwas veranlaßt sei, und zu dem Ergebnis gekommen sei, daß nichts veranlaßt sei, was dem Landgericht dann auch ein weiteres Honorar von 57,12 € wert war.

Welches Bild einer Anwalt-Mandanten-Beziehung steckt hinter einer solchen Rechtsprechung?
Jedenfalls ein von der Wirklichkeit weitgehend entkoppeltes. Denn eine Vielzahl von Rechtsuchenden können nicht einschätzen, ob ihre Vorstellungen realistisch sind. Sie sind darauf angewiesen, daß der Anwalt ihre teils schon märchenhaften Vorstellungen nicht im eigenen Gebühreninteresse befeuert. Dagegen hilft auch maximales Mißtrauen gegenüber dem eigenen Anwalt nicht.

Was könnte helfen? Eine Ende dieser Rechtsprechung. Denn ein Gegenstandswert bildet sich nicht, indem man eine Zahl würfelt und ein paar Nullen dranhängt, sondern er gehört zu einem bestimmten Lebenssachverhalt und soll dessen Wert repräsentieren. Völlig fiktive Vorstellungen des Mandanten von tatsächlich nicht vorhandenen Werten, die vom Anwalt gern geteilt werden, können nicht maßgeblich sein.

Bis sich das auch Landrichtern erschließt, bleibt dem Ausnehmen des Opfers durch den eigenen Anwalt Tor und Tür geöffnet.

Ich kenne da übrigens einen Anwalt, dessen Geschäftsmodell ist es, sich als Spezialisten für Arzthaftungssachen zu bezeichnen, mit fabulösen Schadenersatzbeträgen zu jonglieren und dann nach längerer Prüfung zu dem Ergebnis zu kommen, daß keine Erfolgsaussichten bestehen, worauf er seine Tätigkeit beendet und seine Rechnung schreibt – aber das ist eine andere Geschichte.

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