Das Sprichwort Iudex non calculat (deutsch: der Richter rechnet nicht) – so dachte ich – meint nur scherzhaft, daß Juristen nicht rechnen können. Eigentlich – so dachte ich – bedeutet es, daß nicht die Zahl der Argumente von Bedeutung ist, sondern ihre (unterschiedliche) Bedeutung für die Entscheidung. Oder auch, daß nicht die Anzahl der Zeugen den Ausschlag gibt, sondern ihrer Glaubhaftigkeit.
Aber ich kann neuerdings nicht mehr ausschließen, daß das Sprichwort doch meint, daß Juristen nicht rechnen können (oder wollen) und das in einem sehr ernsten Sinn und für den Betroffenen mit schneidender Kälte.
Der Betroffene ist in unserem Fall Iraner und über die Balkanroute nach Deutschland gekommen. Unterwegs in Kroatien wurde er registriert, was automatisch als Asylantrag gilt, und dann gleich weitertransportiert, weil Kroatien wie alle Transitländer mit Flüchtlingen überfüllt war.
In Deutschland hat sich die Bürokratie mittlerweile wieder auf Dublin III besonnen und versucht Flüchtlinge wieder dorthin zurückzuschieben, wo sie mal einen Asylantrag gestellt haben. In diesem Fall also nach Kroatien.
Auch in anderen EU-Staaten hat sich die Bürokratie mittlerweile wieder auf Dublin III besonnen und versucht Flüchtlinge wieder dorthin zurückzuschieben, wo sie mal einen Asylantrag gestellt haben. Also auch nach Kroatien. In mindestens 3.493 Fällen. 1.782 Fälle allein aus Österreich.
Kroatien – so schreibt es die Tageszeitung Standard aus Österreich – ist jetzt wieder genauso überlaufen, wie zu Beginn der Flüchtlingswelle. Denn geplant war, bis Ende 2017 (!) 1.617 Flüchtlinge aufzunehmen. Bei 1.782 Zurückschiebungen in 2016 allein aus Österreich.
Aber das Verwaltungsgericht Magdeburg rechnet nicht.
Oder jedenfalls anders. Denn er rechnet in seinem Beschluß vom 16.11.2016 vor, daß in den Unterbringungseinrichtungen in Kroatien insgesamt 700 Plätze zur Verfügung stünden, von denen im November 2016 120 unbelegt seien. Bei 3.493 in den nächsten sechs Monaten zu erwartenden Zurückschiebungen. „Ein Engpass bei der Unterbringung und Versorgung des Antragstellers nach seiner Rücküberstellung nach Kroatien ist daher nicht zu befürchten.“
(VG Magdeburg – 2 B 379/16 MD -).
Richtig. Vorausgesetzt jeder der 3.493 Zurückgeschobenen und der jetzt schon vorhandenen Flüchtlinge kommt damit aus, daß 13 Personen in einem Doppelzimmer wohnen und jeder nur 3 ½ Stunden Schlaf am Tag braucht.