Prosa ./. Lyrik

Im Zugriffsbereich der Ausländerbehörde Salzwedel lebt ein Ehepaar, die beide Arbeit haben, und wenn man sie ließe, davon leben könnten. Das kann man von 1,3 Millionen anderen Einwohnern der Bundesrepublik, den sogenannten Aufstockern, nicht behaupten. Die müssen zusätzlich zu ihrem Arbeitseinkommen noch staatliche Leistungen in Anspruch nehmen. Dafür muß sich niemand schämen. Außer Ausländer.

Wer es als Ausländer nicht fertigbringt, die Ausländerbehörde davon zu überzeugen, daß er auf Dauer keine Sozialleistungen brauchen wird, der muß raus aus Deutschland, jedenfalls wenn er es mit der Ausländerbehörde Salzwedel zu tun hat.

Soweit, so prosaisch.

Damit aber nicht genug. Es wird lyrisch. Begründet wird eine solchen Entscheidung durch den Leiter dieser Behörde nämlich weiter mit folgendem Satz:

„Im Rahmen der nach § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG zu treffenden Ermessensentscheidung ist ein erheblicher öffentlicher Belang, daß aus generalpräventiven Gründen im Falle des gezielten Versuchs einer Umgehung der Erteilungsvoraussetzungen für ein nationales Visum die Nachholung des Visumverfahrens als Steuerungsinstrument vor der Einreise gefordert wird.“

Da steht dieser Satz nun einsam für sich. Ich habe lange überlegt, welchen Sinn er haben mag. Ich habe es schließlich herausgefunden.

Dieser Satz ist – unter dem Aspekt sprachlich-gedanklicher Kurzschlüsse – nicht anders als erhaben zu nennen. In der Tradition bedeutender Unsinnspoeten wie Schwitters, Morgenstern, Loriot wird man künftig den Namen Thiele nicht vergessen dürfen.

Als Begründung einer Entscheidung, mit der Ermessen pflichtgemäß ausgeübt werden soll – und das heißt zumindest unter korrektem Ge- und nicht bösartigem Mißbrauch gesetzlicher Regelungen -, und unter dem Aspekt verfassungsrechtlichen Schutzes von Ehe und Familie ist dieser Satz hingegen einfach jämmerlich.

Schade um den Adressaten.

 

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