Mietprozess paradox

Mietrechtsstreitigkeiten vor Gericht sind häufig skurril. Meist deswegen, weil das Streitobjekt – also die Mietwohnung – von den Parteien sehr unterschiedlich erlebt wird, vor allem bei Streitigkeiten um die Rückgabe nach Mietende. Der Mieter übergibt eine pfleglich behandelte, ordnungsgemäß gesäuberte, normal abgenutzte Wohnung. Der Vermieter bekommt ein vollkommen verwohntes, stark beschädigtes, vermutlich absichtlich verwüstetes Objekt zurück.

Für das folgende Theater sind normalerweise extrem gegensätzliche Standpunkte wie die vorstehend kurz dargestellten erforderlich und eine Lösung ist erst in Sicht, wenn beide Seiten zu der Einsicht gelangen, daß das Kostenrisiko durch eine Einigung begrenzt werden kann. Gerade gewerbliche Vermieter haben normalerweise kein Interesse daran, für die Verfolgung zweifelhafter Mietforderungen hohe Kostenrisiken einzugehen. Gerade einkommensschwache Mieter können sich das gar nicht leisten.

Anders, wenn als Vermieter die Stendaler Wohnungsbaugesellschaft beteiligt ist. Auf der nach oben offenen Merkwürdigkeitsskala werden dann auch im Alleingang hohe Werte erzielt.

Konkretes Beispiel (AG Stendal – 3 C 870/14 -): einer ehemalige Mieterin wird zunächst ein Mahnbescheid über 6.702,79 € zugestellt – mit den entsprechenden Kosten. Auf den Widerspruch wird die Klage in Höhe von 3.897,93 € zurückgenommen – erneute Kosten. Da war man wohl schon selbst zu der Einsicht gelangt, daß die ursprüngliche Forderung sich nicht begründen ließ. Aber man kann es ja versuchen – immerhin wäre es ja auch möglich gewesen, daß die Mieterin die Widerspruchs- und Einspruchsfrist versäumt. Der Rechtsstreit endet schließlich mit einem Vergleich über 1.200 €. Mehr wäre auch nicht begründet gewesen.

Bemerkenswert: der Vergleich kostet den Vermieter 1.600 €. Er gewinnt 1.200 €. Nettoverlust: 400 €. Fast zwei Monatsmieten. Die Frage nach dem wirtschaftlichen Sinn beantwortet sich damit von selbst. Aber die stellt man bei der stadteigenen SWG vermutlich an keiner Stelle.

 

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