Knastpsychologie

Justizvollzugsanstalten beschäftigen Psychologen, einerseits, um Gefangene zu beraten und erforderlichenfalls zu therapieren und andererseits, um sie psychologisch zu beurteilen, wenn es um die Frage geht, ob Lockerungsmaßnahmen in Frage kommen, oder ob eine vorzeitige Entlassung von der JVA befürwortet werden soll.

Das Bild, das die Tätigkeit von Anstaltspsychologen bietet, kommt einem regelmäßig vor wie ein Novembertag: kurz, finster und schmutzig. Sehen Sie selbst.

Dafür, daß pro hundert Gefangene nicht einmal ein Psychologe effektiv zur Verfügung steht (Krankheit und Urlaub scheint es in der Vorstellung der für die Stellenbemessung zuständigen Ministerialbeamten nicht zu geben), kann der Psychologe nichts. Aber sein wohlverdienter vierwöchiger Urlaub im Sommer bedeutet für eine ganze Anstalt voll Gefangene, daß psychologische Beratung und Therapie total ausfällt.

Daß sowieso jede psychologische Therapie, die diesen Namen von Umfang und Intensität her verdienen würde, ausfallen muß, auch wenn der Psychologe mal nicht krank oder im Urlaub ist, ist an sich bei dem vorhandenen Personalschlüssel sowieso klar. Dabei muß man berücksichtigen, daß Gefangene einen externen Psychologen nicht einmal dann aufsuchen könnten, wenn Ihnen das z.B. von einer Krankenversicherung bezahlt würde. Und der externe Psychologe darf seinen Patienten auch dann nicht in der Haft besuchen, wenn das erforderlich wäre und bezahlt würde. Offenbar geht die Justiz davon aus, daß Strafgefangene zu den Gesündesten überhaupt gehören. Oder sollte bei der Bemessung der Behandlungskapazitäten der Bedarf der Betroffenen überhaupt keine Rolle spielen?

Das sind die Rahmenbedingungen, unter denen Psychologen im Knast – jedenfalls in Sachsen-Anhalt – typischerweise tätig werden. Bestimmt gibt es Ausnahmen. Daß es Ausnahmen sind, ist traurig genug.

In menschliche Abgründe aber blickt, wer die von diesen Psychologen verfaßten (wenn auch nicht verantworteten) Beurteilungen von Gefangenen lesen muß. Und zwar nicht unbedingt in die seelischen Abgründe der Gefangenen. Sondern in die der Psychologen.

Der Gefangene nimmt seit Jahren keine Drogen mehr? Das liest sich in der psychologischen Beurteilung so: Der Gefangene „will erkannt haben, dass Drogenkonsum und Familie nicht zusammengehören“. Merken Sie die feinsinnige Formulierung, die kleine Spitze? „Will erkannt haben…“

Der Gefangene verspürt keinen Hang zu Drogen? „Eine Abhängigkeit konnte nicht herausgearbeitet werden.“

So geht das durchweg. Positive Feststellungen Fehlanzeige. Allenfalls lassen sich charakterliche Defizite beim Probanden nicht (oder noch schöner „nicht mehr“) feststellen. Das Ergebnis? „Insofern stellt sich die Entlassungssituation nicht ungünstig dar“. Aber das „nicht ungünstig“ reicht nicht – weder für Vollzugslockerungen noch für vorzeitige Entlassung.

Eine Feststellung ohne „nicht“ gibt es allerdings auch: „Ein Behandlungserfordernis besteht nach wie vor“. Allerdings sind seit acht Monaten „keine weiteren Gesprächskontakte erfolgt“. Deshalb gibt es auch „keine relevanten Information, die psychologische Interventionen notwendig machen“. Heißt im Klartext: ich weiß nicht, wie es dem Gefangenen geht und mir fällt auch nicht ein, was ihm helfen könnte. Das liegt aber nicht am Psychologen, sondern daran, daß der Gefangene „die Selbstreflexion nicht in ausreichendem Maße für eine Zusammenarbeit“ mit dem Psychologen entwickelt hat und das liegt wieder an seiner „intellektuellen Disposition“. Zum Glück hat der Gefangene nicht kapiert, was das in Tat und Wahrheit heißt: der Junge ist mir einfach zu doof, mit dem arbeite ich nicht.

Da hat der arme Kerl aber Pech. Und wird seine Frau und seine vier Kinder, wenn´s nach dem Psychologen geht, keinen Tag eher sehen, als bis er seiner Strafe bis auf den letzten Tag verbüßt hat.

 

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