Das besondere elektronische Postfach. Letzter Teil.

Dieser Beitrag (wie die vorangegangenen) beschäftigen sich mit den Eindrücken, die man sammeln wird, wenn man das – ab 2018 verbindlich zu nutzende – besondere elektronische Anwaltspostfach in Betrieb nehmen will.

Teil 1 beschäftigte sich mit Programmstart und dem Sicherheitsgedanken, Teil 2 mit dem Unterschied zwischen Funktion und Funktionalität, Teil 3 mit der Frage, warum Software ganz allgemein nie so funktioniert, wie man das erwartet, Teil 4 mit dem üblichen Gejammer über die Praxisferne dieses Konstrukts und Teil 5 zeigt dem neugierigen Benutzer die Grenzen auf. Der letzte Teil beschäftigt sich mit der Frage, ob das besondere elektronische Postfach bis zum 01.01.2018 eine wundersame Wandlung zu einem funktionierenden effizienten Arbeitsmittel durchmachen wird oder ob durch den Ansturm auf die Server dieses Systems am Dienstag 02.01.2018 alles zusammenbrechen wird

Ich habe mit der Geschäftsführerin der RAK Sachsen-Anhalt gewettet, ob dieses Postfach bis zum (oder vielmehr ab dem) 01.01.2018 funktioniert. Klar wird man irgendwie Nachrichten versenden können. Und man wird Nachrichten empfangen müssen. Aber es wird so grausam viel schlechter sein als das altbackenste email-Programm, das heute noch zum Laufen zu bringen ist, daß man aus dem Kopfschütteln gar nicht mehr herauskommen wird. Und es wird einen so überschaubaren Funktionsumfang haben, das es einem um das Geld leid tun wird, das man gezwungenermaßen für dieses Machwerk aufwenden muß. Und es wird mit einer Bräsigkeit als das Non plus Ultra sicherer Nachrichtenversendung angepriesen werden, daß einem die Frage, ob das nicht auch weniger umständlich zu haben wäre, im Halse stecken bleiben wird. Funktionieren und Funktionalität – das kann man an diesem Beispiel mittelmäßigen Software-Engineerings gut beobachten – sind zwei verschiedene Dinge.

Eins muß man sagen: ATOS scheint emsig bemüht zu sein, dem System die Kinderkrankheiten auszutreiben. Das wird aber an den grundlegenden Problemen der Implementation nichts ändern.

Und noch eins: die Zeit bis zum 01.01.2018 ist ja ausdrücklich für den Testbetrieb bestimmt. Allerdings hat der Testbetrieb seine Grenzen.

Post an Anwälte zu versenden, hat schon deswegen wenig Sinn, weil nicht erkennbar ist, wer erreichbar ist und wer nicht.

Bei Gerichten – die ja schon lange über das an sich schon lange installierte EGVP-System erreichbar sein sollten – kann man bemerkenswerte Erfahrungen machen. Einige Gerichte verfügen zweifellos über ein Postfach, sind aber nicht im Verzeichnis (Beispiel: Landgericht Stendal, Amtsgericht Ludwigslust, fast alle Hamburger Gerichte).

Das Amtsgericht Stendal und das Amtsgericht Magdeburg übermittelten mir freundlicherweise den Hinweis, daß die angeschriebenen Abteilungen über das EGVP nicht erreichbar seien (die Nachricht aber dieses Mal unverbindlich weitergeleitet würde). Zugleich erhielt ich auch den Hinweis auf das Verzeichnis der aktuell erreichbaren Gerichte. Die Überprüfung, welche Abteilung welches Gerichts erreichbar ist oder nicht, ist anhand dieser Liste keineswegs trivial und nimmt so viel Zeit in Anspruch, daß jede Hoffnung darauf, daß dies in absehbarer Zeit ein zeitsparender und effektiver Kommunikatonsweg werden könnte, sich sogleich verflüchtigt.

In einem anderen Fall erhielt ich folgende Antwort auf einen per beA übersandten Schriftsatz:

Sehr geehrter Absender,

in Niedersachsen ist es noch nicht möglich und gestattet in allen Rechtsgebieten Nachrichten über EGVP zu versenden. Der elektronische Rechtsverkehr ist ausschließlich Insolvenz- u. Nachlasssachen vorbehalten. Sie erhalten deshalb Ihre Eingabe unerledigt zurück.

Mit freuindlichem (!) Gruß
Amtsgericht Hameln

Wenigstens hat das ein Mensch verfaßt. Der verläßt sich offenbar darauf, daß am 02.01.2018 alles einfach so klappen wird. Testen muß man nicht.

Aber wenn man schon testen will: kann man überhaupt feststellen, ob das System – mit schon jetzt in praktisch lastlosem Betrieb teilweise bedenklich langen Antwortzeiten – einem echten Ansturm von Nachrichten und den im Durchschnitt doch recht großen Datenvolumina standhalten kann? Das scheint mir der Punkt zu sein, an dem das größte Fragezeichen zu machen wäre. Denn die zweite Sendung kann der Anwalt erst absetzen, wenn die erste Sendung erfolgreich war. Und wenn die schon klemmt, kann man sich auf stundenlange Sitzungen vor dem Gerät einrichten. Da wird die Fristüberschreitung durch technische Probleme zu einer realen Gefahr und das gute alte Fax zu einem Rettungsanker.

Aber es ist ja bekanntlich so: Am Ende wird alles gut. Und wenn es noch nicht gut ist, dann ist es nicht das Ende.

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