beA at last?

Die Bundesrechtsanwaltskammer ist bekanntlich zu Weihnachten 2017 mit ihrem Versuch, ein besonderes elektronisches Anwaltspostfach in Gang zu bringen, zu dem sie einerseits gesetzlich verpflichtet schien und zu dem sie andererseits alle Anwälte verpflichtete, krachend gescheitert.
Wie von vielen vorausgesagt, hatte das Projekt derart viele und auch derart offensichtliche Mängel, daß es auch dann nicht funktioniert hätte, wenn es tatsächlich in Gang gesetzt worden wäre, was letztlich wegen der Furcht vor Sicherheitslücken unterblieb.

Nehmen wir mal an, die Inbetriebnahme unterblieb, weil das Ausnutzen der Sicherheitslücken das System völlig delegitimiert hätte. Die ganze Existenzberechtigung des beA hängt ja an dem Mantra lückenloser und unhintergehbarer Übertragungssicherheit in alle Richtungen. Soviel zu den ehrenwerten Motiven des Abschaltens. Möglich auch, daß die verantwortlichen Vorstandsmitglieder plötzlich gewahr wurden, daß ihre eigene Glaubwürdigkeit, ihre eigene Position im Funktionärsgefüge und all das sorgsam gepflegte Prestige mit dem Anlaufen dieses fragilen elektronischen Gespinstes am seidenen Faden hing. Wahrscheinlich gab es mehrere Gründe dafür, daß die Herren des beA zu Weihnachten kalte Füße bekamen. Das ist ja auch nicht untypisch für die Jahreszeit.

Jetzt hat man neuen Mut gefaßt und will das beA, nach Reparaturmaßnahmen hinter verschlossenen Türen, wieder in Gang setzen. Ab 03.09.2019 soll das beA wieder empfangsbereit sein, WENN (man hört schon die Rauchabschluß-Hintertüren im BER klappern) ja wenn die mit der Prüfung und Erprobung des Systems beauftragte secunet Security Networks AG bis dahin bestätigt, daß die Schwachstellen beseitigt sind.

Das bisher erstellte Gutachten der secunet soll übrigens für nicht-IT-Kundige so unverständlich sein, daß man es auch IT-Kundigen einstweilen nicht zugänglich macht – ein Teil der Antworten würde vermutlich die Anwälte verunsichern.

Nach dem Gesetz besteht mit der Empfangsmöglichkeit auch die Empfangspflicht. Da möchte die BRAK allerdings gern eine Karenzzeit von einem Monat. Entschieden ist darüber – zwei Monate bevor es losgehen soll – noch nichts. Unter Umständen erfährt die Anwaltschaft also am Freitag 31.08.2018, daß es ab Montag zwangsweise losgeht.

An guten (ich meine wirklich: guten) Ratschlägen hatte es nicht gefehlt – und zwar weder vor noch nach der gescheiterten Inbetriebnahme. Eine Auseinandersetzung mit diesen Ratschlägen hat – soweit ersichtlich – nicht stattgefunden. Ohne eine solche werden sich die seit Ende 2017 offenen Fragen auch ab 03.09.2018 wieder aufdrängen.

  1. Der verfolgte Anspruch ist immer noch hypertroph. fail safe gibt es nicht. Das System kann und wird Fehlfunktionen aufweisen. Wie soll der Nutzer (alle Anwälte mit oder ohne Verständnis für die Capricen dieses unvergleichlichen Systems) angesichts völliger Intransparenz damit umgehen?
  2. Der Kaltstart ist – selbst mit einer Karenzzeit von einem Monat – riskant; beim ersten Versuch war die Karenzzeit fast ein Jahr und das war nicht ausreichend. Technische Behinderungen und menschliche Fehlbedienungen werden die Funktion – und damit den Kanzleibetrieb – zumindest in den ersten Monaten deutlich spürbar behindern. Ist das nötig?
  3. Der Umgang mit den Betroffenen (Anwälte) ist dreist. Seit Jahren wird für ein System kassiert, dessen Unbrauchbarkeit gutachtlich festgestellt worden ist (obergerichtlich bestätigt – ich stelle mir vor, daß die Urteilsberatung ausgesprochen lustig gewesen sein muß). Das ist also keine Frage mehr.
  4. Spannend ist aber immer noch die Frage, die sich von Anfang an gestellt hat, die aber erst nach Aufnahme des Realbetriebs – zu dem es ja noch nie gekommen ist – zu beantworten sein wird. Hält das System der Datenlast stand? Schon im bloßen Testbetrieb 2017 – mit einigen wenigen Benutzern – kam es wiederholt zu Stockungen und Ausfällen, die die Benutzung erheblich erschwerten. Wird der gesamte Schriftverkehr zwischen Gerichten und Anwälten und natürlich zwischen den Anwälten untereinander verzögerungsfrei über das beA abgewickelt werden können?

Möglicherweise werden sich die Herren des beA noch wundern, welche Lawine da angerollt kommt.

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