Was Dante Alighieri mit Ihrem Führerschein zu tun hat

Es gibt ja Klassiker, in denen anwaltliche Beratung hoffnungsvoll aber von vornherein vergeblich gesucht wird. Schreckliche Situation: der Anwalt weiß nach wenigen Sätzen, daß dies einer der Fälle ist, in denen jede Hilfe versagt, weder eine sinnvolle Verteidigung möglich ist noch der Schaden gemindert oder wenigstens Zeit gewonnen werden kann. Und gleich wird er es dem Betroffenen mitteilen und dessen schöne Hoffnungen in einen Trümmerhaufen der Enttäuschung verwandeln müssen.

Das macht keiner gern. Deshalb das Folgende, denn Fälle der hier geschilderten Art scheinen sich zu einem der genannten Klassiker zu entwickeln. Dabei muß man folgende Einschränkung machen: natürlich gibt es immer besonders gelagerte Fälle. Auch wenn Sie sich in dem folgenden Szenario wiedererkennen, mag es sein, daß Ihr Fall anders liegt. Aber die Rechtslage ist so gestaltet, daß Sonderfälle nach Möglichkeit ausgeschlossen sein sollen. Insofern hat der Gesetzgeber (vereint mit Exekutive und Verwaltungsgerichten) sich den 3. Gesang des italienischen Dichters Dante und die darin wiedergegebene Inschrift über dem Höllentor „Die ihr eintretet, laßt alle Hoffnung fahren!“ zu eigen gemacht.

Die Situation ist folgende.

Die Betroffene (der Vorgang scheint – anders als andere Strafsachen, bei denen Frauen seltener als Beschuldigte erscheinen – ziemlich gleich auf beide Geschlechter verteilt zu sein, deshalb denken wir uns jetzt eine weibliche Betroffene) ist in eine Verkehrskontrolle geraten. Der Polizeibeamte hat verengte Pupillen und einen starren Blick festgestellt. Das ist auch kein Wunder, wenn man nachts aus 50 cm Entfernung mit der Taschenlampe angeleuchtet wird. Wahlweise kann der Polizeibeamte auch Nervosität und Schweißausbruch, Redseligkeit oder verbale Aggressivität feststellen. Er veranlaßt auf jeden Fall eine Drogenkontrolle. Auf die Zustimmung der Betroffenen kommt es nicht an. Stimmt sie nicht zu, ordnet die Polizei das wegen Gefahr im Verzug selbst an. Ob sie das darf – des Nachts darf sie das, weil der Staatsanwalt wegen so etwas nicht gestört werden darf und ein Richter ohnehin nicht erreichbar ist – ist egal. Das Ergebnis – Blutentnahme und Drogenanalyse- ist auf jeden Fall verwertbar; anders in den USA, wo die Vorstellung vertreten wird, ein rechtswidrig erlangtes Beweismittel dürfe nicht verwendet werden und das wirke sich auf alle Folge-Erkenntnisse aus. In Deutschland mag die Blutprobe rechtswidrig erlangt worden sein. Die Analyse aber ist korrekt erfolgt und verwertbar.

Die Analyse ergibt Spuren von – sagen wir mal: Amphetamin oder Abbauprodukten von Amphetamin. Der Konsum – wenn es Konsum war – mag länger zurückliegen. Die Wissenschaft weigert sich, Angaben dazu zu machen, wie lange und wie viel konsumiert worden sein muß. Angeblich kann man das nicht feststellen. Geheimnisvolle Welt der Pharmazie.

Kann sein, die Spuren sind zu gering und Auffälligkeiten beim Fahren oder Gehen oder Sprechen haben sich nicht feststellen lassen. Dann war das nicht strafbar und die Betroffene atmet auf. Sie bekommt etwa drei Monate nach dem Vorfall ein Bußgeld (wahrscheinlich 500 €) und einen Monat Fahrverbot, denkt sich, da bin ich noch mal mit einem blauen Auge davon gekommen, liefert ihren Führerschein ab und bekommt ihn nach einem Monat wieder.

Sie weiß nicht, daß die Polizei das Ergebnis der Drogenanalyse an das Straßenverkehrsamt – Führerscheinstelle – weitergeleitet hat.

Von der sie nach weiteren zwei bis vier Wochen eine Anhörung bekommt, mit der ihr unter Verweis auf den Drogenkonsum angekündigt wird, ihr die Fahrerlaubnis zu entziehen. JETZT geht sie zum Anwalt.

Das ist die unerfreuliche Situation, die ich am Anfang angesprochen habe. Man kann nämlich nichts tun.

Die Anhörung ist eine Formalität. Es gibt einfach nichts, was sie einwenden könnte. Sie kann nur die Fahrerlaubnis freiwillig zurückgeben. Dann spart sie wenigstens die Gebühren für die Entziehung selbst. Jedenfalls ist sie, wie man´s auch dreht und wendet, etwa ein halbes Jahr nach dem Vorfall die Fahrerlaubnis los.

Selbst wenn sie was einwenden könnte – man hat ihr was in den Tee getan, ihre Medikamente haben dieselben oder ähnliche Abbauprodukte, die Blutprobe ist verwechselt worden oder was auch immer – nützt das im Ergebnis nichts. Denn die Entziehung ist sofort wirksam, der Widerspruch hat keine aufschiebende Wirkung. Dauer des Widerspruchsverfahrens: mindestens drei Monate, Dauer des Klagverfahrens: ca. ein Jahr. In der Zeit hat sie schon längst den Antrag auf Neuerteilung einer Fahrerlaubnis gestellt. Bevor die Sache in einem bis eineinhalb Jahren in erster Instanz entschieden ist, hat sie vermutlich schon wieder eine neue Fahrerlaubnis.

Natürlich gibt es den Antrag auf Herstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs beim Verwaltungsgericht. Der ist aber praktisch nutzlos, weil das Verwaltungsgericht die Erfolgsaussichten nur oberflächlich prüft („summarisch“ heißt das, vermutlich, weil der andere Ausdruck peinlich wäre) und diese Prüfung führt selten zum Erfolg. Außerdem wird das Interesse des Betroffenen, noch ein bißchen weiter fahren zu dürfen, gegen das Interesse der Allgemeinheit, keine Drogen im Straßenverkehr zuzulassen, abgewogen und da überwiegt nun mal das allgemeine Interesse.

Übrigens: noch ein unerfreuliches Detail. Es kommt nicht einmal darauf an, daß sie gefahren ist. Das wäre nur bei weichen Drogen (Haschisch, Marihuana) von Bedeutung. Bei allen anderen Drogen könnte sie auch Beifahrerin gewesen sein. Nur daß bei Beifahrern seltener teure Drogentests gemacht werden. Sie könnte auch zu Fuß unterwegs gewesen sein. Nur daß bei Fußgängern wie bei Beifahrern Drogentests nicht die Regel sind. Noch nicht.

Falls aber – am gerade aktuellen Beispiel – Volker Beck eine Fahrerlaubnis hat und bei ihm nicht nur 0,6 g WeißManNichtGenau gefunden worden ist, sondern er auch einen Drogentest machen mußte, dann wäre es ein besonders zuvorkommendes Versäumnis der Polizei gegenüber dem prominenten Gast, wenn sie die Meldung an die Führerscheinstelle in Köln vergessen würde. Erfolgt die Meldung, ist die Fahrerlaubnis weg.

Was kann man tun? Fast nichts. Um die Fahrererlaubnis neu erteilt zu bekommen, muß man eine MPU (Idiotentest) machen. Um zu der zugelassen zu werden, muß man ein Jahr Abstinenz nachweisen. Dazu muß man ein entsprechendes Programm (von TÜV, Dekra, Gesundheitsamt) mitmachen, bei dem man etwa monatlich überraschend getestet wird. Ist ein Wert positiv, ist das sehr negativ. Dann ist das Programm nämlich beendet und man kann wieder von vorn anfangen.

Das heißt aber: nach dem Vorfall sofort anmelden – in der sicheren Erwartung, daß man das demnächst brauchen wird. Man spart ca. ein halbes Jahr.

Im Bußgeldverfahren hätte man vielleicht etwas erreichen können. Das aber ist, wenn die Führerscheinstelle sich meldet, meist schon vorbei.

 

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