Die Staatsanwaltschaft Stendal scheint ihre Ermittlungsverfahren bei Betäubungsmitteldelikten ziemlich konsequent ohne den Betroffenen zu betreiben. Während bei den Betroffenen schon fleißig Telefone abgehört, Kontodaten von Banken angefordert, Wohnungen durchsucht und DNA-Proben zwangsweise entnommen werden, wird gleichzeitig verfügt, daß es Akteneinsicht erst nach Abschluß der Ermittlungen gibt. Häufig nicht einmal das: Anklageerhebung ohne je Akteneinsicht gewährt zu haben, ist kein Versehen, ja nicht einmal eine Seltenheit.
Das ist keineswegs überall so. Die frühzeitige Gewährung von Akteneinsicht kann gute Gründe haben. Die Erklärung des Betroffenen kann Zeit und Kosten sparen, wenn klar ist, was er bestreitet und was nicht. Wie aber soll sich der Betroffene sachgerecht erklären können, solange er nicht weiß, worum es eigentlich geht? Dazu würde kein Verteidiger seinem Mandanten jemals raten.
Hingegen wird durch die Versagung jeglicher Mitwirkung des Betroffenen an dem gegen ihn gerichteten Verfahren auch der letzte Rest von Verfahrensfairness beseitigt.
Rechtsstaatlichkeit bedeutet zunächst einmal nur, daß nach Recht und Gesetz verfahren wird (viele Juristen halten ja das eine für das andere). Nun sind die maßgeblichen Verfahrensvorschriften nicht gerade Musterbeispiele für den Schutz der (Grund-)Rechte des Betroffenen. Vorherige Anhörungen entfallen sowieso schon immer dann, wenn der Zweck der Maßnahme gefährdet ist. Das bedeutet in der Praxis letztlich, daß der Betroffene von diesen Maßnahmen nur noch dann vorher informiert wird, wenn sie sich ohnehin nicht geheimhalten lassen, oder wenn seine Mitwirkung erforderlich ist. Das ist jammervoll genug. Wenn aber in den Fällen, in denen der Betroffene vorher angehört wird, ihm auch noch jede Aktenkenntnis verweigert wird, er also bewußt und absichtlich im Unklaren gelassen wird, worum es geht, laufen seine Beteiligungsrechte notwendigerweise leer.
Die Vorstellung, daß die Staatsanwaltschaft sich dieser Zusammenhänge etwa nicht bewußt sein soll, erscheint zwar fernliegend, aber nicht unmöglich. Vielleicht macht man sich dort wirklich keinerlei Gedanken. Etwa darüber, was dieses merkwürdige Konstrukt namens „rechtliches Gehör“ bedeuten soll.