Was die Anwaltschaft will…

Das folgende wird die Laien nicht so unmittelbar interessieren. Es geht um das besondere elektronische Anwaltspostfach, auch „beA“ genannt. Beschickt wird das von Gerichten, Behörden und Kollegen. Den Mandanten betrifft es (leider) weniger.

Das Schauspiel, das rings um seine Einführung aufgeführt wird, ist allerdings exemplarisch für viele Dinge, schöne und weniger schöne, und hat sich überdies mittlerweile als Posse [Wikipedia: Bühnenstück, das auf Verwechslungen, ulkigen Zufällen und unwahrscheinlichen Übertreibungen aufgebaut ist und durch derbe Komik Lachen erzeugen soll. Im übertragenden Sinne wird der Begriff auch genutzt für die Beschreibung grotesker öffentlicher Vorgänge.] herausgestellt. Und Lachen ist ja gesund.

Akt 1: der Gesetzgeber findet, daß auch die Anwaltschaft an den Segnungen organisierter elektronischer Vernetzung teilhaben und Schriftwechsel zwischen Behörden, Gerichten und Anwälten elektronisch – im Ergebnis: per email – stattfinden soll. Und zwar (hier kommt schon der erste Brüller): SICHER. Bisher funktioniert die elektronische Kommunikation zwischen Gerichten und Behörden nur fallweise. Aber nun kommt der große Wurf.

Akt 2: die Standesorganisation der Rechtsanwälte stellt nun fest, was Anwälte wollen und brauchen und entwirft ein entsprechendes Konzept – bzw. läßt entwerfen. Sie müssen sich das als Rückblende vorstellen, bei dem beiläufig erkennbar wird, daß das vor vielen Jahren stattgefunden hat. Geheimnisvoll daran ist, wer von der Anwaltschaft eigentlich gefragt worden ist, was er braucht oder will. Das kann aber auch ein Geheimnis bleiben, denn irgendetwas Geheimnisvolles braucht das Theater nun einmal.

Akt 3: (die plötzliche Wendung) die Bundesrechtsanwaltskammer teilt den Kollegen Anwälten mit, welche Wohltat demnächst auf sie zukommt (ich war da: es war ein Schau dreister Ahnungslosigkeit und fürsorglicher Beschwichtigung mit dem Tenor „Am Ende wird alles gut. Und wenn es noch nicht gut ist, dann ist es noch nicht das Ende“). Man wird also demnächst per email erreichbar sein (war man das nicht schon?) und man wird Zustellungen bewirken können! Allerdings werden auch Zustellungen an das Postfach bewirkt und damit Fristen in Gang gesetzt werden können und zwar auch dann, wenn man selbst an das Postfach (noch) gar nicht herankommt. Einfluß darauf, ob das alles funktioniert, hat der Anwalt nicht, aber haften wird er dafür. Außerdem zahlt er das ganze System, ob er will oder nicht.

An dieser Stelle weicht die Handlung des Stückes wegen der Unberechenbarkeit der Darsteller plötzlich vom Skript ab. Andere Kammern (Ärzte-, Architekten-, Handwerkskammern etc.) haben überwiegend gute Erfahrungen mit der Zumutbarkeitsschwelle gemacht. Das Hin und Herr, das Ärzte von ihrer Kammer schon hingenommen haben, spottet jeder Beschreibung. In diesem Fall aber klagen Anwälte gegen die Freischaltung ihres Postfaches und haben damit Erfolg.

Nun kommt der eigentliche Clou. Da sich das beA nicht individuell freischalten läßt – so heißt es, was so manche weitere Frage aufwirft – ist damit der Start des gesamten Systems in Frage gestellt. Jetzt ist erst einmal Pause.

Und während die mit ihrer Klage erfolgreichen Kollegen, wie das in der Pause häufig geschieht, wahrscheinlich sektschlürfend am Tresen des Kammergerichts stehen, nehmen die Verantwortlichen der Anwaltskammer wahrscheinlich Herztropfen zu sich und rufen etwa wehmütig: „Die Anwaltschaft will das besondere elektronische Anwaltspostfach!“ Ja, aber will sie dieses?

Akt 4 folgt sicherlich wahrscheinlich vielleicht. Falls die Klagen gegen das beA letztlich Erfolg haben, wird allerdings vermutlich erst noch das Theater renoviert. Aber dann.

 

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